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Trauer

Trauer ist eine Stimmungslage des Menschen, die beim Verlust eines geliebten Gegenübers (Menschen, ggf. auch Tiere), eines schulischen oder beruflichen Misserfolgs, des Versagens an einer Aufgabe o. ä. auftritt. Meist führt die Trauer zu einer gewissen Lähmung der normalen Aktivitäten des trauernden Menschen.

Überwinden der Trauer

Zum Überwinden der Trauer gibt es zwei Ansätze: Die Verdrängung und die Verarbeitung. Durch körperliche Aktivität oder Ablenkung kann man Trauer versuchen zu verdrängen. Man kann auch versuchen, den Verlust zu ersetzen. Ein eher traditioneller Ansatz ist die Verarbeitung der Trauer: Überwunden im Sinne einer intensiven Bewältigung wird Trauer, indem sie bewusst gemacht wird (Trauerarbeit). Jahrhunderte alte Trauerbräuche und Rituale haben durch die Kulturgeschichte hindurch eine stabilisierende und sinnstiftende Rolle gespielt. Durch Erinnerung, und darin symbolisch wiederholtes Zurückholen und Weggeben des Betrauerten, wird ein Sich - Einlassen auf die Extremsituation des Verlustes sowie ein allmähliches Bejahen und Loslösen ermöglicht.

Von entscheidender Bedeutung ist ein Ort der Trauer. Darüber hinaus ist die Klage ein konstitutives Trauermoment. In der Kulturgeschichte lässt sich ein Wandel vom Klagegeschrei hin zum differenziert artikulierten Gesang (Requiem) beobachten. Auch dem Gespräch kann die Aufgabe der Trauerüberwindung zukommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Tod im von Medien bestimmten Alltag schwer fassbar geworden ist. Es kann auch sinnvoll sein, eine Psychotherapie durchzuführen, da es wichtig ist, einen Trauerenden vor einer übermäßigen pathologischen Trauer, wie Suizidgedanken, Suchtverhalten, völliger Inaktivität und Depressivität zu bewahren. Aus der "Sicht des christlichen Glaubens" ist Trauer eine menschliche Befindlichkeit. Eine besondere Form der Trauer tritt ein, wenn eine Person meint, von Gott verlassen zu sein, ohne dass sie sich selber durch eine Todsünde von Gott trennen will. Solidarität mit den Trauernden wird zu einer besonderen Form christlicher Nächstenliebe.

Die Trauer verläuft gewöhnlich in Phasen, wobei in der Literatur unterschiedliche Einteilungen und Bezeichnungen zu finden sind. Zunächst befinden sich Trauernde meist in einer Art Schockzustand, wollen nicht wahrhaben, dass ein Mensch verstorben ist. Dann erleben sie Depressionen, Zukunftsangst, Hadern mit dem Schicksal, haben Schuld- und Verlassenheitsgefühle, und körperliche Reaktionen wie z.B: Schlaf-, Konzentrations- und Appetitstörungen. Die Gedanken kreisen um den Verlust. In einer weiteren Phase gelingt es den Trauernden, sich wieder besser zu konzentrieren und den Blick auf die Zukunft zu richten. Der Gedanke an den Verstorbenen verursacht nicht mehr so starke Verzweiflung bzw. sie können sich schneller wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Schließlich kommt es bei erfolgreicher Trauerbewältigung zu einem neuen seelischen Gleichgewicht. Eine der bekanntesten Theorien rund um den Trauerprozess stammt von Verena Kast. Sie beschreibt vier voneinander unterscheidbare Phasen, die natürlich nicht streng voneinander getrennt ablaufen:

Erste Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen Der Verlust wird verleugnet, der oder die Trauernde fühlt sich zumeist empfindungslos und ist oft starr vor Entsetzen: „Es darf nicht wahr sein, ich werde erwachen, das ist nur ein böser Traum!” Diese erste Phase ist meist kurz, sie dauert ein paar Tage bis wenige Wochen.

Zweite Phase: Aufbrechende Emotionen In der zweiten Phase werden durcheinander Trauer, Wut, Freude, Zorn, Angstgefühle und Ruhelosigkeit erlebt, die oft auch mit Schlafstörungen verbunden sind. Eventuell setzt die Suche nach einem oder mehreren „Schuldigen” ein (Ärzte, Pflegepersonal,..). Der konkrete Verlauf dieser Phase hängt stark davon ab, wie die Beziehung zwischen den Zurückgebliebenen und dem Verlorenen war, ob zum Beispiel Probleme noch besprochen werden konnten oder ob noch sehr viel offen gebleiben ist. Starke Schuldgefühle im Zusammenhang mit den Beziehungserfahrungen können bewirken, dass man auf dieser Stufe stehen bleibt. Das Erleben und Zulassen aggressiver Gefühle hilft dem Trauernden dabei, nicht in Depressionen zu versinken. Weil in unserer Gesellschaft Selbstbeherrschung ein hoher Wert ist, bestehen oft große Schwierigkeiten diese Phase zu bewältigen. Aber nur indem die adäquaten Emotionen auch tatsächlich erlebt und zugelassen werden, kann die nächste Trauerphase erreicht werden.

Dritte Phase: Suchen, Finden, Sich-Trennen In der dritten Trauerphase wird der Verlorene unbewusst oder bewusst „gesucht”, meistens dort, wo er im gemeinsamen Leben anzutreffen war (in Zimmern, Landschaften, auf Fotos, aber auch in Träumen oder Phantasien,...). Die Konfrontation mit der Realität bewirkt, dass der oder die Trauernde immer wieder lernen muss, dass sich die Verbindung drastisch verändert hat. Der Verlorene wird bestenfalls zu einem „inneren Begleiter”, mit dem man durch inneren Dialog eine Beziehung entwickeln kann. Im schlechteren Fall lebt der Trauernde eine Art Pseudoleben mit dem Verlorenen, nichts darf sich ändern, der Trauernde entfremdet sich dem Leben und den Lebenden. Wenn der Verlorene aber zu einer inneren Person wird, die sich weiterentwickeln und verändern kann, dann wird die nächste Phase der Trauerarbeit erreicht. Besonders hilfreich erweist sich, wenn in dieser Phase des Suchens, des Findens und des Sich-Trennens auch noch ungelöste Probleme mit der verlorenen Person aufgearbeitet werden können.

Vierte Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug In der vierten Phase ist der Verlust soweit akzeptiert, dass der verlorene Mensch zu einer inneren Figur geworden ist. Lebensmöglichkeiten, die durch die Beziehung erreicht wurden und die zuvor nur innerhalb dieser Beziehung möglich gewesen sind, können nun zum Teil zu eigenen Möglichkeiten werden. Neue Beziehungen, neue Rollen, neue Verhaltensmöglichkeiten, neue Lebensstile können möglich werden. Dass jede Beziehung vergänglich ist, dass alles Einlassen auf das Leben an den Tod grenzt, wird als Erfahrung integrierbar. Idealerweise kann man sich dann trotz dieses Wissens auf neue Bindungen einlassen, gerade auch, weil man weiß, dass Verluste zu ertragen zwar sehr schwer, aber möglich ist und auch neues Leben in sich birgt.

Literatur

  • Freud, S.: Trauer und Melancholie, 1917, Studienausgabe, Bd.III, S.193-194. Erscheinungsjahr 1915;
  • Bowlby, J.: Verlust, Trauer und Depression, München, 1980;
  • Jerneizig, R., Langenmayr, A. & Schubert, U. (1991). Leitfaden zur Trauertherapie und Trauerberatung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht;
  • Jerneizig, R. & Langenmayr, A. (1992): Klientenzentrierte Trauertherapie. Eine Pilotstudie zur Erfassung der therapeutischen Wirksamkeit. Göttingen u. a., Hogrefe;
  • Ochsmann, R. (1993): Angst vor Tod und Sterben. Göttingen, Hogrefe;
  • Wittkowski, J. (1990): Psychologie des Todes. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft;
  • Worden, J. W. (1986): Beratung und Therapie in Trauerfällen. Ein Handbuch. Bern u. a., Huber;
  • Ariès, P: Geschichte des Todes, dtv München, 1982;
  • Kast, Verena: Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses, Stuttgart: Kreuz,1990;
  • Kast, Verena: Sich einlassen und loslassen. Neue Lebensmöglichkeiten bei Trauer und Trennung. Freiburg: Herder 1994
  • Lutz, G. & Künzer-Riebel, B. (Hrsg.): Nur ein Hauch von Leben. Eltern berichten vom Tod ihres Babys und von der Zeit ihrer Trauer. Frankfurt: Fischer, 1988
  • Wolf, Doris: Einen geliebten Menschen verlieren, Mannheim, PAL, 2004
  • Stäbler, Carmen (Hrsg.): Abschied vom geliebten Tier - Ein Ratgeber für den Umgang mit Trauer, BOD, 2004

Siehe auch

  • Sepulkralkultur
  • Trauerfall Abschied, Bestattung, Depression, Freidenker
  • Friedhof, Hospiz
  • Melancholie, pathologische Trauer, Staatstrauer, Trauerbeflaggung
  • Trauerfeier, Trauerkleidung, Trauerkultur
  • Trauermusik, Trauerschmaus
  • Trauerzeit, Traurigkeit
  • Selbsttötung, Suizidalität
  • Verlassenheit, Verwitwung, Weinen
  • Portal Bibel

Weblinks