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Sinneswahrnehmung

Projekt zur Überarbeitung des Themengebiets Wahrnehmung gestartet. Siehe Wikipedia:WikiProjekt Wahrnehmung.

Wahrnehmung bezeichnet im Allgemeinen den Prozess der Informationsaufnahme eines Lebewesens über seine Sinne. Auch die aufgenommenen und ausgewerteten Informationen selbst werden gelegentlich Wahrnehmung(en) genannt. Die Fähigkeit zur Sinneswahrnehmung kann bewusst durch die sog. Aufmerksamkeit gesteigert werden.

Im Speziellen unterscheidet man die folgenden drei wissenschaftlichen Definitionen des Prozesses Wahrnehmung:

  • In der Psychologie und der Physiologie bezeichnet Wahrnehmung die Summe der Schritte Aufnahme, Interpretation, Auswahl und Organisation von sensorischen Informationen ? und zwar nur jener Informationen, die zum Zwecke der Anpassung (Adaption) des Wahrnehmenden an die Umwelt oder deren Veränderung (Modifikation) aufgenommen werden. Gemäß dieser Definition sind also nicht alle Sinnesreize Wahrnehmungen, sondern nur diejenigen, die auch geistig verarbeitet werden.

  • In der Biologie ist der Begriff Wahrnehmung enger gefasst und bezeichnet die Fähigkeit eines Organismus, mit seinen Sinnesorganen Informationen in Form von Reizen aufzunehmen und zu verarbeiten.

  • In der Philosophie wird die Wahrnehmung streng von der Kognition (der gedanklichen Verarbeitung des Wahrgenommenen) unterschieden und bezeichnet das sinnliche Abbild der objektiven Realität im Zentralnervensystem von Lebewesen. Die Wahrnehmung in der Philosophie beinhaltet auch die Beziehungen der erfassten Objekte und wird im Artikel Wahrnehmung (Philosophie) ausführlicher behandelt.

Sinne, Sinneswahrnehmungen, Sinnesorgane

Ein Sinnesorgan (z.B. Auge) nimmt Reize bestimmter Sinnesqualitäten (z.B. visuell) als Sinneswahrnehmung (z.B. visuelle Wahrnehmung) auf und setzt damit einen Sinn (z.B. sehen) um. Die Summe aller Sinneswahrnehmungen entspricht der Wahrnehmung als Ganzes. Dementsprechend unterscheidet man folgende Sinneswahrnehmungen des Menschen:

auch Gesichtssinn oder sehen. Dient der Wahrnehmung von visuellen Reizen wie z.B. Helligkeit, Farben (s.a. Farbwahrnehmung), Kontrast, Linien, Form & Gestalt, Bewegung und Räumlichkeit (s.a. Raumwahrnehmung). Das zuständige Sinnesorgan ist das Auge. Besonders in künstlerischem Kontext bezeichnet man ein wahrgenommenes Bild oder eine Szene als Sehereignis. oder akustische Wahrnehmung, auch Gehörsinn, Gehör oder hören. Dient der Wahrnehmung von Schall, insbes. Geräusche, Töne, Rhythmus und Klänge. Das zuständige Sinnesorgan ist das Ohr. Besonders im Kontext der Psychoakustik wird ein wahrgenommenes Schallereignis Hörereignis genannt.
  • Haptische Wahrnehmung
auch Tastsinn, Gefühl oder Fühlen. Sie ist die Vereinigung von Taktile Wahrnehmung und Kinästhetische Wahrnehmung und dient damit der Wahrnehmung von (körperlichen) Gefühlen wie z.B. Berührungen, Härte oder Hitze. Zuständig für diese Sinneswahrnehmung ist die Gesamtheit aller Tast-, Wärme- und Kälterezeptoren, die in den folgenden Untersystemen angeordnet sind:
  • Kinästhetische Wahrnehmung
Dient der Wahrnehmung der Stellung der Körperglieder zueinander und damit der Körperhaltung. Anstatt eines einzelnen Organes ist eine Vielzahl von Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Sehnen für die Reizaufnahme zuständig, die meist unter dem Begriff Muskelsinn zusammengefasst werden. Dient der Wahrnehmung von Druck, Berührung und Vibrationen sowie der Temperatur. Das zuständige Sinnesorgan ist die Haut und zwar sowohl deren Tast- als auch Wärme- und Kälterezeptoren. Man unterscheidet das folgende Untersystem: auch Geruch oder riechen. Dient der Wahrnehmung von Riech- und Duftstoffen. Das zuständige Sinnesorgan ist die Nase, genauer gesagt deren Riechschleimhaut. Geruchswahrnehmungen werden im Gedächtnis stark mit Emotionen assoziiert.
  • Gustatorische Wahrnehmung
auch Geschmack oder schmecken. Dient der Wahrnehmung von chemischen Qualitäten von Nahrung. Das zuständige Sinnesorgan ist die Zunge mit ihren Geschmacksknospen.
  • Vestibuläre Wahrnehmung
auch Gleichgewichtssinn. Dient der Wahrnehmung von Lageveränderungen im Verhältnis zu einem Schwerefeld zur Wahrung des Gleichgewichts und der Kontrolle von Bewegungen, zusammen mit Augen und Muskelsinn. Das zuständige Sinnesorgan ist das Gleichgewichtsorgan im Innenohr.
  • Trigeminale Wahrnehmung
Dient der taktilen Wahrnehmung im Gesicht (z.B. des Windes) und unterstützt die olfaktorische und die gustatorische Wahrnehmung. Für diese Sinneswahrnehmung ist der Nerv Trigeminus zuständig, dessen freie Nervenenden in der Gesichtshaut und den Schleimhäuten der Nase, der Mundhöhle und der Augen enden.

In der Tierwelt existieren weitere Sinneswahrnehmungen. Dieser Bereich der Wikipedia ist noch wenig ausgebaut und viele Informationen und Fachbezeichnungen sind daher vage oder (noch) unbekannt; sie sind hier kursiv markiert:

  • Wahrnehmung von Druck auf Distanz
auch Ferntastsinn, verbreitet bei Fischen. Eine Verbindung aus auditiver und taktiler Wahrnehmung. Dient der Wahrnehmung von Veränderungen des Druckes unter Wasser und auf Distanz. Zuständiges Sinnesorgan ist das Seitenlinienorgan.
  • Wahrnehmung elektrischer Felder
Vertreten bei manchen Raubfischen (z.B. Hammerhaie). Nicht vergleichbar mit einer menschlichen Sinneswahrnehmung. Dient der Wahrnehmung von elektrischen Feldern, wie sie von Lebewesen erzeugt werden.
  • Wahrnehmung von Magnetfeldern
auch Magnetsinn, verbreitet bei Zugvögeln, aber auch bei anderen Tieren und Bakterien. Dient der Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes zur Navigation. Die zuständigen Sinnesorgane sind nicht eindeutig identifiziert und namentlich nicht bekannt; bei einigen Vogelarten scheint der Magnetsinn im Auge, bei anderen im Schnabel lokalisiert zu sein.
  • Thermische Wahrnehmung
sehr ausgeprägt z.B. bei Schlangen. Eine vergleichbare Sinneswahrnehmung ist beim Menschen Teil der taktilen Wahrnehmung. Dient der Wahrnehmung von Wärme, Kälte und Wärmeleitung. Das zuständige Sinnesorgan ist namentlich nicht bekannt.
  • Vibratorische Wahrnehmung
auch Wahrnehmung von Erschütterungen, sehr ausgeprägt bei Katzen, Insekten und Spinnen. Eine vergleichbare Sinneswahrnehmung existiert als Teil der taktilen Wahrnehmung in schwachem Ausmaß auch beim Menschen. Das zuständige Sinnesorgan ist namentlich nicht bekannt, liegt bei Schlangen aber an der Bauchseite, bei Spinnen in den Gliedmaßen.

Des weiteren gibt es die folgende Form der Wahrnehmung, die nicht als Sinneswahrnehmung sondern als kognitive Wahrnehmung aufgefasst wird:

  • Zeitwahrnehmung
Die Zeit ist eine zwar abstrakte, aber reale Eigenschaft der Umwelt und die grundlegenden Informationen über sie werden über die Sinne aufgenommen (manche Philosophen bezweifeln die Realität der Zeit, siehe dazu Zeit). Deshalb bildet die Zeitwahrnehmung zwar eine echte Form der Wahrnehmung, es handelt sich aber nicht um eine Sinneswahrnehmung, denn die Zeitwahrnehmung entsteht erst durch kognitive Vorgänge. Beim Menschen unterscheidet man die beiden Formen Wahrnehmung der zeitlichen Folge (Sequenz) und die Wahrnehmung von Zeitintervallen.

Die Wahrnehmungskette

Das grundlegende Modell der Wahrnehmung bildet die Wahrnehmungskette. Sie besteht aus sechs Gliedern, die jeweils auf ihr Folgeglied Einfluss ausüben und an jeder Art von Wahrnehmung in genau dieser Reihenfolge beteiligt sind. Zudem ist sie in sich geschlossen, d.h. das sechste Glied beeinflusst wiederum das erste Glied der Kette:

  1. Umwelt. Umwelt ist hier all das, was außerhalb eines wahrnehmenden Lebewesens liegt. Ein Lebewesen nimmt seine Umwelt und die Aktivitäten darin wahr, um angemessen reagieren zu können. Demzufolge sind Objekte und Energien der Umwelt sowie das eigene Verhältnis dazu notwendiger Ausgangspunkt jeder Wahrnehmung. Diese nur scheinbar unnötig komplizierte Definition zollt der Tatsache Tribut, dass einige Sinneswahrnehmungen (insbes. die Kinästhetische Wahrnehmung) nach innen gerichtet sind, also nicht der Informationsaufnahme aus der Umwelt dienen.
  2. Medium. Ein Medium übermittelt Eigenschaften der Umwelt oder des eigenen Körpers an die Sinne. Medien sind i.A. physikalisch messbare Größe (z.B. Strahlung, Schall, Druck), Ausnahmen werden von der Parapsychologie unter dem Begriff Außersinnliche Wahrnehmung erforscht. Teile der Umwelt, die ihre Eigenschaften über tatsächlich wahrnehmbare Medien verbreiten, werden Distaler Reiz genannt. Eine Instanz (z.B. Geräusch) eines Mediums (z.B. Schall) wird auch als Signal bezeichnet.
  3. Rezeptoren. Sinneszellen (Rezeptoren) sind Zellen des Körpers, die sich auf die Interaktion mit bestimmten Medien spezialisiert haben. Es handelt sich hierbei um echte Interaktion, da ein Rezeptor durch den Empfang eines Signals seinen Zustand so verändern kann, dass nachfolgende gleichwertige Signale andere Reaktionen auslösen. Löst ein Signal in einem Rezeptor eines Sinnesorganes eine Reaktion (Aktionspotenzial) aus, bezeichnet man es als Reiz. Die Gesamtheit aller Reize eines einzelnen distalen Reizes, fasst man unter dem Begriff Proximaler Reiz zusammen. Rezeptoren sind meist in ausgeprägte biologische Strukturen eingebettet, die Sinnesorgane (Rezeptororgane, z.B. das Auge) genannt werden. Innerhalb eines Sinnesorganes findet bereits eine Vorverarbeitung der empfangenen Informationen statt.
  4. Sinnesnerven. Ein Sinnesnerv ist eine neuronale Struktur, die Reize von einem Sinnesorgan an die sensorischen Zentren des Gehirns weiterleitet. Hierbei kann eine weitere Verarbeitung, z.B. durch Zusammenführung der Reize verschiedener Sinnesorgane, erfolgen. Das im sensorischen Zentrum ankommende Ergebnis aller Vorverarbeitungsstufen ist das Perzept, die bloße Summe aller mit dem distalen Reiz verbundenen Wahrnehmungen eines Sinnesorgans ohne etwaige Erkenntnisse oder Interpretationen.
  5. Sensorische Zentren. Ein sensorisches Zentrum (auch sensorisches Rindenfeld oder Projektionsfeld genannt) ist der Bereich der Großhirnrinde, in den die Sinnesnerven eines Sinnesorgans einmünden. Diese Zentren sind direkt mit anderen Hirnarealen verbunden und bilden den Ausgangspunkt für die bewusste Verarbeitung des Perzepts (Kognition): Prozesse wie Erinnern, Kombinieren, Erkennen, Assoziieren und Urteilen führen zum Verständnis des Wahrgenommenen und bilden die Grundlage für Reaktionen auf den distalen Reiz. Dabei müssen diese Prozesse keineswegs zu einem klar umrissenen gedanklichen Bild führen, auch vagere Empfindungen wie Hunger, Schmerz oder Angst sind Ergebnis der Kognition.
  6. Reaktion. Letztendliches Ergebnis der Wahrnehmung ist die Reaktion auf die Umwelt. Die Reaktion mag zunächst nicht als Teil der Wahrnehmung einleuchten, muss aber zumindest teilweise definitiv hinzugerechnet werden. Der Grund ist, dass viele Reaktionen darauf abzielen, den nächsten Durchlauf der Wahrnehmungskette zu beeinflussen, indem neue Eigenschaften der Umwelt für die Wahrnehmung zugänglich gemacht werden (z.B. Augenbewegung, Abtasten einer Oberfläche).

Die Wahrnehmung arbeitet im Allgemeinen veridikal, d.h. zwischen einem Reiz und seiner Repräsentation im Gehirn besteht ein kausaler, nachvollziehbarer Zusammenhang. Ist ein Glied der Wahrnehmungskette gestört, so kann es zu Widersprüchen zwischen dem Reiz und der durch ihn ausgelösten Wahrnehmung kommen und man spricht von einer gestörten Wahrnehmung. Entspricht das Ergebnis des Wahrnehmungsprozesses nicht der Realität, obwohl die Wahrnehmungskette störungsfrei arbeiet, so spricht man von einer Wahrnehmungstäuschung. Diese Täuschungen werden in der Psychologie ausgiebig erforscht, denn sie liefern direkte Hinweise auf die Funktionsweise des Wahrnehmungsapparates.

Der Zusammenhang der wichtigsten Begriffe soll an folgendem konkreten Beispiel verdeutlicht werden:

Ein Kaminfeuer übermittelt über die Medien Strahlung, Schall und chemische Stoffe (allesamt (physikalische Größen), für die wir Sinnesorgane besitzen, Eigenschaften; das Kaminfeuer ist also ein distaler Reiz. Da die ausgesandten Signale Rezeptoren, z.B. in der Netzhaut des Auges, zur Reaktion reizen, handelt es sich hierbei um die Reize Licht, Wärme, Geräusche und Gerüche. Die Gesamtheit dessen, was wir vom Kaminfeuer wahrnehmen, bildet den proximalen Reiz, der von unseren Sinnesnerven als Perzept wie "gelb bis rote Farben, flackernde Bewegung, mittlere Temperatur, Knistern, geruchswirksame Aromen x, y und z" an die sensorischen Zentren weitergeleitet wird. Obwohl die Umrisse des Kamins auf der Netzhaut gekrümmt sind, wird er veridikal als rechteckig wahrgenommen. Zum Abschluss wird das Perzept durch die Kognition mit den Erinnerungen "Feuer" und "Kamin" verbunden, zum "Feuer im Kamin" kombiniert, als "Kaminfeuer" erkannt, mit "November 1968" und "Lisa" assoziiert und als "sehr angenehm" beurteilt und bildet damit die Grundlage für unsere Reaktion: Wir schnurren behaglich und entkorken genüsslich den Bordeaux.

Kognition

Zeitwahrnehmung

Die Zeit ist eine zwar abstrakte aber reale Eigenschaft der Umwelt (siehe oben). Die grundlegenden Informationen über diese Eigenschaft werden über die Sinne gewonnen. Deshalb bildet die Zeitwahrnehmung eine echte Form der Wahrnehmung. Allerdings handelt es sich nicht um eine Sinneswahrnehmung, denn die Zeitwahrnehmung entsteht erst durch kognitive Vorgänge.

Erklärungsmodelle

Das Mentale Modell

Folgendes zeigt einen möglichen, sehr verkürzt dargestellten, Ansatz, wie der letzte Schritt der Wahrnehmung, also die Umsetzung des Reizes in einen Zusammenhang, psychologisch erklärt werden kann:

Zum Wahrnehmen und Verstehen von komplexen Vorgängen werden so genannte mentale Modelle vom Wahrnehmenden geschaffen.

Darunter versteht man unter Anderem logische Verknüpfungen, kurze Bilder und Filme aus Erinnerungen und Erfahrungen, die vor dem geistigen Auge des Wahrnehmenden aufgebaut werden, um so eine Repräsentation der für die Realität relevanten Aspekte und ihrer dynamischen Wechselwirkungen im Gehirn zu schaffen.

Die Wahrnehmung variiert dabei durch die individuellen Gedächtnisinhalte, Stimmungen und Denkprozesse des Wahrnehmenden, die zum Aufbau des mentalen Modells benutzt werden ? daraus resultiert, dass jedes Wesen eine eigene Wahrnehmung hat. Diese Modelle werden benötigt um Informationen, die neu aufgenommen werden sollen, überhaupt erst in einen Kontext einzuordnen zu können und somit verstehen und bewerten zu können. Mit der Neuaufnahme von Informationen und Eindrücken werden dann die Möglichkeiten zur Abbildung der Realität in ein mentales Modell für zukünftige Wahrnehmungen konstant erweitert, es tritt also ein Lerneffekt ein.

Dabei sind nicht nur die Komponenten des mentalen Modells bei jedem Menschen unterschiedlich, sondern auch ihre Gewichtung zueinander.

Während einige Menschen eher bildhaft denken, orientieren sich andere eher an anderen Sinneseindrücken und Erfahrungen, wie beispielsweise Schmerz oder Glück.

Daher ist es schwierig den Wahrnehmungsprozess allgemeingültig zu beschreiben, da er von Mensch zu Mensch grundlegend verschieden sein kann; so haben auch zum Beispiel viele psychische Krankheiten ihre Ursachen in einer krankhaft gestörten Wahrnehmung.

Organisationsprinzipien der Wahrnehmung

Unter den Organisationsprinzipien der Wahrnehmung versteht man bestimmte Gesetzmäßigkeiten und Erfahrungswerte, nach denen der Strukturierungsprozess der Wahrnehmung die aufgenommenen Reize klassifiziert.

Die Organisationsprinzipien lassen sich besonders einfach dort nachweisen, wo der physikalische (objektiv gegebene) und der phänomenale (empfundene, wahrgenommene) Sachverhalt nicht übereinstimmen.

Durch diese Prinzipien wird deutlich, dass sowohl die Wahrnehmung als auch ihre stete Adaption an sich ändernde Reizverhältnisse beim Menschen nicht durch Abbildung, sondern durch einen konstruktiven, kognitiven Verarbeitungsprozess stattfindet.

Kontextabhängigkeit

Objekte werden immer im Kontext mit ihrer Umgebung wahrgenommen. So erscheint in der Beispielgrafik der rechte blaue Ball größer als der linke, obwohl ihre Größe identisch ist.

Der Kontext kann dabei nicht nur die Größenwahrnehmung, sondern auch die Bedeutung oder Funktion des Wahrgenommen verändern.

Die Kontextabhängigkeit wird deutlich, wenn ein Objekt aus seinem gewohnten Kontext herausgelöst wird und in einen atypischen Kontext gesetzt wird.

BEISPIEL:

Ein Schiff im Wasser ist etwas Alltägliches, ein Schiff auf einer Wiese hingegen würde sofort unsere Wahrnehmung auf sich ziehen ? um Aufmerksamkeit zu erregen; ein Effekt, den die Werbung gerne für sich nutzt.

Dabei gilt die Kontextabhängigkeit nicht nur für die optische Wahrnehmung. Studien haben gezeigt, dass auch bei der Wahrnehmung von Konsonanz bzw. Dissonanzen in der Musik eine Abhängigkeit zum Musikstück, dem Ort, dem Interpreten, usw. besteht.

Einfluss der Erfahrung

Müssen sich widersprechende Informationen verarbeitet werden, bevorzugt das Gehirn die wahrscheinlichste Interpretation durch Vergleich mit bereits abgespeicherten (erlernten) Erfahrungen.

Filtereffekte

Die Sinnesorgane nehmen nur einen Teil der möglichen Reize auf.

Bei der Weiterverarbeitung werden diese Informationen in kleinere Einheiten zerlegt, getrennt verarbeitet (verstärkt, abgeschwächt, bewertet) und in verschiedenen Gehirnarealen wieder zusammengeführt. Es lassen sich verschiedene kognitive Beurteilungsprogramme unterscheiden:

  • Attributdominanz: Hierbei ist ein wahrgenommenes Merkmal ausschlaggebend für die Meinungsbildung;
  • Irradiation: Hierbei wird von der Eigenschaft eines Merkmals auf die Qualität anderer Merkmale geschlossen. Beispielsweise wird von einer breiten Pkw-Bereifung auf eine starke Motorisierung geschlossen.
  • Halo-Effekt: Demnach wird die Wahrnehmung einzelner Attribute durch ein bereits gebildetes Urteil bestimmt.

Bewertung

Jeder Sinneseindruck wird auch mit einem Gefühl oder einer Emotion(Angst, Freude, Hunger etc.) verknüpft. Diese Bewertung bestimmt dann die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das spezifische Sinnesmaterial.

Veränderungen der Wahrnehmung

Die Wahrnehmung kann durch die folgenden Dinge beeinflusst, verändert oder erweitert werden:

  • Drogen wie Alkohol oder Halluzinogene (LSD, DMT, Psilocin, Meskalin, Ecstasy, Cannabis etc., "bewusstseinserweiternde Drogen") beeinflussen den Wahrnehmungsprozess auf physiologischer Ebene. Während Alkohol zu einem starken Nachlassen der Leistungsfähigkeit der Wahrnehmung führt (z.B. "Tunnelblick"), führen Halluzinogene zu subtileren Veränderungen: Es kommt zu Halluzinationen und Reize werden falsch kombiniert oder an die falschen Verarbeitungszentren des Gehirns weitergeleitet (Synästhesien, z.B. "Farben riechen").
  • Lernprozesse. Wahrnehmung ist zu großen Teilen erlernt und dadurch höchst anpassungsfähig. Einige Beispiele: Blinde können lernen, Hindernisse wie beim Sonar durch Reflexion von Schallwellen zu orten. Kamerabilder, die als Druck auf die Haut eines Blinden projiziert werden, können mit viel Übung zu räumlichen Wahrnehmungen führen. Amputierte Gliedmaßen können noch lange Zeit später als Phantomglied wahrgenommen werden; allmählich absterbende Gliedmaßen (z.B. durch Lepra) führen jedoch nicht zu solchen Fehlwahrnehmungen.
  • Biofeedback ist eine Behandlungsmethode der Verhaltenstherapie. Mittels technischer Hilfsmittel bekommt der Patient dabei zusätzliche sensorische Informationen (Feedback) über Prozesse seines Körpers, die sich normalerweise unbewusst selbst regulieren (Homöostase, z.B. der Puls) oder aufgrund von Nervenschädigungen nicht mehr bewusst kontrollierbar sind (z.B. Lähmungen). Dieser neue, künstliche Sinn funktioniert ähnlich wie die Kinästhetische Wahrnehmung und ermöglicht unter gewissen Umständen eine bewusste Steuerung des dargestellten Prozesses.
  • Technische Geräte können die Wahrnehmung auf viele Arten beeinflussen oder erweitern:
    • Sehhilfen (Brille, Kontaktlinsen) und Hörgeräte oder Cochleaimplantate sollen Behinderungen ausgleichen und die normale Funktionsweise der Sinnesorgane so weit wie möglich wiederherstellen.
    • Lupen, Ferngläser, Nachtsichtgeräte und Kompasse sollen die Fähigkeiten der Wahrnehmung erweitern oder verbessern. Prinzipiell kann jede Vorrichtung der technischen Sensorik (z.B. Radar, Sonar, Geigerzähler usw.) als Erweiterung der Wahrnehmung betrachtet werden.
    • Erweiterte Realität beschreibt die Erweiterung der Wahrnehmung um computergestützte virtuelle Informationen. Ein Beispiel für eine Anwendung ist das Eyetap (bis zur Übersetzung wird hier auf den englische Artikel verwiesen: :en:Eyetap).
  • Meditation. Meditationstechniken wie Yoga, Zazen oder Naikan zielen auf eine Schärfung der Wahrnehmung des eigenen Körpers ab. Durch die Konzentration auf einzelne Körperteile oder Prozesse (z.B. Atmung) sollen Anzeichen von Stress erkannt werden um diesem mit Entspannungstechniken entgegenzuwirken. Die physiologischen Vorgänge bleiben dabei zwar unverändert, aber durch erhöhte Aufmerksamkeit werden Reize wahrgenommen und in Verhalten umgesetzt, die sonst unbewusst oder unbeachtet bleiben.

Wahrnehmung in Wissenschaft und Technik

In den naturwissenschaftlichen Gebieten Physiologie und Psychologie ist die Wahrnehmung für folgende Disziplinen interessant:

  • Physiologie
    • Wahrnehmungsphysiologie, Sinnesphysiologie. Untersucht die biologischen Grundlagen der Sinneswahrnehmungen.
  • Psychologie
    • Wahrnehmungspsychologie. Untersucht alle psychologischen Fragestellungen der Wahrnehmung.
      • Psychophysik. Untersucht den Zusammenhang zwischen objektiven physikalischen Reizen und den subjektiven psychologischen Empfindungen.
      • Gestaltpsychologie. Untersucht die Gesetzmäßigkeiten der visuellen Wahrnehmung.
    • Kognitionspsychologie. Untersucht u.a. die kognitive Verarbeitung der Wahrnehmung; überschneidet sich hier mit der Wahrnehmungspsychologie.

Die Untersuchung des Wahrnehmungsprozesses wird in der Forschung von zwei Seiten aus angegangen:

  • Die Betrachtung "von unten nach oben" (Bottom-up) untersucht den Weg eines Reizes von seiner Aufnahme durch die Rezeptoren über die Verarbeitung bis hin zu einer bewussten Wahrnehmung.
  • Im Umkehrschluss versucht die Untersuchung "von oben nach unten" (Top-down) aus einer bestimmten Wahrnehmung Rückschlüsse auf die erhaltenen Sinnesreize und ihre Verarbeitung zu erzielen.

Informationsverarbeitung und Sensorik

Von besonderer Bedeutung ist die Wahrnehmung auch immer wieder für die Informatik und die sensorischen Teilgebiete der Physik. Es lassen sich dabei drei Interessengebiete unterscheiden:

  • Die Entwicklung von Sensoren und die mit ihnen verbundene Verarbeitung, die es Systemen ermöglicht, mit ihrer Umgebung zu interagieren. Beispiele sind:
    • Robotik. Roboter sind auf ausgeklügelte sensorische Regelsysteme angewiesen, wenn es etwa darum geht, ein Glas aufzuheben ohne es zu zerbrechen oder den Inhalt zu verschütten.
    • Context Awareness. Anwendungen, die sich ihrer Umgebung bewusst sein sollen, benötigen maßgeschneiderte sensorische Systeme um die notwendigen Daten zu ermitteln und auszuwerten. Ein sehr einfaches Beispiel ist ein Bildschirm eines tragbaren Gerätes, der sich automatisch an die Helligkeit der Umgebung anpasst.

  • Die Entwicklung neuer Algorithmen und Anwendungen durch die Nachbildung biologischer Wahrnehmungssysteme. Beispiele sind:
    • Texterkennung. Dient der maschinellen Erkennung von Schrift und Layout.
    • Bildverstehen. Dient der Analyse von Bildern auf Inhalt und Aufteilung.
    • Neuronales Netze bilden einen menschlichen Wahrnehmungsprozess mit anschließender Weiterverarbeitung der Informationen ab.

  • Die Entwicklung und Verbesserung von Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, wie sie von der Mensch-Computer-Interaktion untersucht wird. Beispiele sind:
    • Software-Ergonomie. Dieses Teilgebiet der Mensch-Computer-Interaktion untersucht Anwendungen auf ihre Benutzerfreundlichkeit. Die Software-Ergonomie beschäftigt sich daher ausführlich damit, wie und wie gut vom Computer bereitgestellte Informationen vom Benutzer wahrgenommen werden. Ein Beispiel ist die Frage, wie stark Verzögerungen (Delay) durch die Netzwerk-Transportschicht den Benutzer beim Spielen eines Computerspiels stören.
    • Interfacedesign. In diesem Teilgebiet der Mensch-Computer-Interaktion werden neue Schnittstellen entwickelt. Von besonderer Bedeutung sind Neuentwicklungen für die Forschungsgebiete Mobile Computing, Portable Computing und Wearable Computing. Ein aktuelles Beispiel sind vibratotaktile Schnittstellen, die Entfernungsinformationen in Form von Vibrationen an ihren blinden Benutzer weitergeben.

Siehe auch

Weblinks

Der Tastsinn(taktiles System)

Die Entwicklung der einzelnen Sinne

 

Der Geschmackssinn
(gustatorisches System)

Im 3. Schwangerschaftsmonat beginnt die Entwicklung des Geschmackssinns. Dieser ist bei der Geburt voll ausgebildet.

 

  • Durch den Geschmackssinn erfährt der Mensch unmittelbar die Beschaffenheit und den Geschmack von Substanzen bzw. die Qualität der Nahrung.
  • Durch die Geschmacksknospen auf der Zunge entstehen die Geschmacksempfindungen die Speichel- und Magensaft-produktion anregen.
  • Die Mundhöhle steht in enger Verbindung zu dem Nasenraum, weshalb der Geschmacks- und Geruchssinn auch voneinander abhängen.

 

Der Geruchssinn
(olfaktorisches System)

                           

 

  • Der Geruchssinn dient seit Urzeiten sowohl dem Menschen, in viel ausgeprägter form dem Tier, als Orientierungssinn. Aber auch um Gefahren zu erkennen z.B. einen Brand oder verdorbene Speisen. 
  • Auf Emotionale Ebene wir der Geruch im Übertragenen Sinn verwendet um Sympathie oder Antisympathie zu bekunden. Z.B. „Ich kann dich nicht riechen”. Ein Säugling erkennt seine Mutter z.B. am Geruch. 
  •  

Der Tastsinn
(taktiles System)

Ab dem 2. Schwangerschaftsmonat entwickelt sich der Tastsinn.

  • Mit der Geburt empfindet das Kind Temperaturunterschiede, trockene Luft, Bewegung durch die Pflegeperson, ect.
  • Durch das Tasten erfährt das Kind etwas über seine Körpergrenzen, seine Körperausdehnung und sein Umfeld d.h. über Formen, Oberflächen ect. woraus sodann genaue Vorstellungen gebildet werden.

 

Der Hörsinn
(auditives System)

Im 7. Schwangerschaftsmonat und funktioniert damit schon einige Zeit vor der Geburt. 

 

  • Insgesamt ist das Gehör bereits nach der Geburt äußerst leistungsfähig. Das Kind hört bereits sehr differenziert Töne und verschiedene Tonhöhen.
  • Die Stimme der Mutter wird bereits im Mutterleib wahrgenommen. 
  • Den Klang der Stimme seiner Mutter, ihre Lautstärke ernimmt das Kind lange bevor es den Sinn der Worte versteht.

 

Der Sehsinn
(visuelles System)

Im 8. Schwangerschaftsmonat beginnt sich der Sehsinn zu entwickeln.

  • Neugeborene unterscheiden bereits hell und dunkel und können im Abstand von 20-40 cm schon relativ scharf sehen.

 

Nach ca. 2 Monaten ist die Fähigkeit, die Augen auf unterschiedliche Entfernungen einzustellen entwickelt. 

 

  • Durch beidäugiges Sehen entwickelt sich sodann auch das räumliche Sehen und damit verbunden die Tiefenwahrnehmung.
  • Innere Vorstellungsbilder des Geschehens können sich künftig festigen.

 

Der Gleichgewichtssinn
(vestibuläres System)

Im 3.-4. Schwangerschaftsmonat wird das Gleichgewichtssystem angelegt und ist ungefähr im 6. Schwangerschaftsmonat ausgereift. 

 

  • Dieser Sinn wird unmittelbar nach der Geburt „aktiv”
  • Durch ihn spüren wir, ob und wie und welche Richtung wir uns bewegen. (Balance). 
  • Er ist die wichtigste Vorraussetzung für die motorische Entwicklung. 
  • Die gesamte Bewegungsentwicklung besonders im 
  • 1. Lebensjahr steht im Bezug zum Gleichgewichtssinn und somit die Fähigkeit zum aufrechten Gehen und Stehen.

 

Der Bewegungssinn
(kinästhetisches System)

Ab dem 3. Schwangerschaftsmonat entwickelt sich der Bewegungssinn.

 

  • Durch den Bewegungssinn erfährt der Mensch ein Gefühl für Stellung, Lage, seines Körpers, für Bewegung und Kraft.
  • Aber auch über Orientierungssicherheit in Raum und Zeit. 
  • Der Mensch zeigt über Bewegung auch was in ihm vorgeht (Körpersprache). Das gilt für Mimik, Gestik aber auch der Sprache selbst.

Die Wahrnehmung des Raums

Die Fähigkeit Tiefen wahrzunehmen ist angeboren.

Ein Kind kann ca. mit 2 Jahren die Tiefen eines Raums wahrnehmen.

 

·Zuvor sind in seinem Verständnis dinge so groß wie sie wirklich sind, entfernte Dinge erscheinen ihm genauso klein wie sie aussehen. z.B. ein Baum aus der Nähe im Vergleich zu einem Baum in der Ferne. Erst allmählich begreift es das z.B. der entfernte Ball genauso groß ist wie , als wenn er unmittelbar greifbar wäre.

 

Ca. mit 4 Jahren kann das Kind ähnlich gut Tiefen und Entfernungen sehen wie ein Erwachsener. 

Perspektivisches Zeichnen ist ihm jedoch erst mit 

ca. 12 Jahren möglich.

 

 

 

Die Wahrnehmung
der Zeit

Im 1. Lebensjahr lebt ein Kind ausnahmslos in der Gegenwart.

 

Mit ca. 2 Jahren kann es „zukünftiges” Geschehen zumindest sprachlich fassen z.B. „Morgen kommt Oma”

Die Vergangenheit begreift es schließlich erst mit 3 Jahren z.B. „gestern waren wir im Zoo”

Mit ca. 5 Jahren kennt das Kind Wochentage,

mit 7 Jahren die Monate und Jahreszeiten.             

 

In der späten Kindheit erst, ca. mit 10-12 Jahren, kann es die Begriffe nahe und ferne Vergangenheit, nahe und ferne Zukunft unterscheiden und mit geschichtlichen Zeiträumen umgehen.

 

Tastsinn, Bewegung und Gleichgewichtssinn werden als Basiswissen bezeichnet. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung der anderen Wahrnehmungsbereiche.