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Lernen

Unter Lernen versteht man den individuellen Erwerb von Kenntnissen sowie von geistigen und körperlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten. Lernen kann als systematische Änderung des Verhaltens aufgrund gewonnener und durchdachter Informationen (Wissen) durch Wahrnehmung von Veränderungen in der Umwelt bezeichnet werden.

Einleitung

Etymologisch ist das Wort "lernen" mit den Wörtern "lehren" und "List" verwandt und gehört zur Wortgruppe von "leisten", das ursprünglich "einer Spur nachgehen, nachspüren" bedeutet. Im Gotischen heißt "lais" "ich weiß", bzw. genauer "ich habe nachgespürt" und "laists" für "Spur". Die indogermanische Wurzel *lais- bedeutet "Spur, Bahn, Furche" (vgl. http://learn.idoneos.com/ und Duden/Etymologie).

Schon von der Herkunft her hat Lernen etwas mit Spuren hinterlassen zu tun. Lernen soll im Gedächtnis ebenso Spuren hinterlassen (objektivierender Anteil), wie in der Umwelt (subjektivierender Anteil).

Grundlagen des Lernens

Mitbedingung für Lernen ist die Fähigkeit zur Erinnerung (Gedächtnis). Jedoch ist Lernen mehr als das reine Abspeichern von Informationen. Lernen beinhaltet die Wahrnehmung der Umwelt, die Verknüpfung mit Bekanntem (Erfahrung) und das Erkennen von Regelmäßigkeiten. Die Fähigkeit zu lernen ist somit eine Grundbedingung für Mensch und Tier, sich den Gegebenheiten des Lebens und die Umwelt anpassen zu können. Zur Dressur von Tieren ist deren Lernfähigkeit eine Voraussetzung. Für den Menschen ist die Fähigkeit zum Lernen auch eine Voraussetzung für Bildung, also ein reflektiertes Verhältnis zu sich, zu den anderen und zur Welt.

Wissenschaftlich beschäftigen sich u.a. mit dem Lernen: die Lernpsychologie, die Pädagogische Psychologie, die Neurobiologie, die Didaktik bzw. Pädagogik. Unterschiedliche Lerntheorien versuchen die Vorgänge und Bedingungen des Lernens zu beschreiben.

Wer lernt (siehe Lernkurve), kann auch vergessen (siehe Vergessenskurve) - beispielsweise wenn regelmäßige Übung oder Anwendung unterbleibt.

In der Pädagogischen Psychologie unterscheidet man verschiedene Bereiche, unter denen das Lernen erörtert wird: Reifung, Erziehung, Sozialisation, Verhaltensänderung, Wissenserwerb, Psychologie des Lerners, Psychologie des Erziehenden / Lehrenden, Psychologie der pädagogischen Interaktion, Lernen mit Medien, Lernumwelt, Unterricht.

Aspekte des Lernens

Lernen ist nicht immer ein bewusster Vorgang oder absichtsvoll (siehe auch inzidentelles Lernen und implizites Lernen) und häufig beiläufig und ungeplant (siehe informelles Lernen). Lernen kann jedoch unter zu Hilfenahme von Lehrmethoden zu einem selbstgesetzen Ziel führen.

Zunächst sollen Bedingungen des Lernens erläutert werden, dann sollen zwei Lernmodelle ausführlich erörtert werden. Gesondert werden Gedächtnis, Umwelt und Motivation behandelt werden. Schließlich sollen mit dem Lehr-Lern-Verhältnis und dem Erfassen von Texten zwei spezifische Aspekte behandelt werden.

Bedingungen des Lernens

Unter Bedingungen des Lernens versteht man alle Einflüsse, die den Lernprozessen ihren spezifischen Charakter geben. Dieser kann sowohl von Bedingungen der Wahrnehmung (sensorisch), von Bedingungen der Denkleistungen (kognitiv), von Bedingungen des „Sich-Fühlens” (emotional) und von Bedingungen regulativer und stark sozialisierter Denkleistungen (volitiv) abhängen.

Sensorische Bedingungen

Zu den sensorischen Bedingungen des Lernens gehören alle Wahrnehmungskanäle und deren Weiterleitung in den Nervenbahnen. Gewöhnlich unterscheidet man sieben Wahrnehmungssysteme:

  • auditives System (Hören)
  • vestibuläres System (Schwerkraft und Bewegung)
  • propriozeptives System (Muskeln und Gelenke, Tiefen- oder Stellungssinn)
  • taktiles System (Berührung, Tastsinn)
  • visuelles System (Sehen)
  • gustatorisches System (Schmecken)
  • olfaktorisches System (Riechen)

In unserer Kultur spielen die beiden letzten Sinneskanäle für das (schulische) Lernen kaum eine Rolle, obwohl in Konzepten wie „Lernen mit allen Sinnen” auch dafür geworben wird.

Zentral werden Hören und Sehen als Lernkanäle angesehen, doch setzen sich gerade im Grund- und Sonderschulbereich, aber auch in der Erwachsenenbildung immer mehr handlungsorientierte Ansätze durch, die vestibuläres, propriozeptives und taktiles System mit einbinden. Beispielhaft wird dies anhand vieler Ansätze der Bewegungstherapie, aber auch im Zuge konstruktivistischer Lernmodelle. Dies soll weiter unten noch einmal erläutert werden.

Drei Stufen der Wahrnehmungsentwicklung (Sensorische Integration)
AFFOLTER (1975) unterscheidet bei der Wahrnehmungsentwicklung drei Stufen. Diese drei Stufen geben an, wie Wahrnehmungsreize verarbeitet werden.

Die einfachste Stufe ist die modale Entwicklungsstufe. In dieser werden Reize zunächst unspezifisch verarbeitet, dann aber zunehmend differenziert und voneinander abgegrenzt. So können Säuglinge schon verschiedene Stimmen voneinander unterscheiden und erkennen bestimmte Melodien wieder.

Die nächste Stufe nennt Ayres die intermodale Stufe. Hier verbinden sich Reize unterschiedlicher Kanäle zu einer Repräsentation. So kann der Säugling ab einem gewissen Alter die Stimme und das Gesicht der Mutter miteinander verbinden.

Die dritte Stufe, die seriale Stufe, integriert unterschiedliche Reize in zeitlichen und räumlichen Repräsentationen und verknüpft sie zu bedeutungsvollen Ganzheiten.

Affolter kann allerdings kaum mehr als ein abstraktes Modell bereit stellen. Ein Säugling reagiert meist von Anfang an auf ein Geräusch mit Bewegungen und es lässt sich nicht genügend abgrenzen, ob es sich hier nur um Reflexe handelt, oder bereits ein Lernprozess statt gefunden hat.

So merkt Herbert Günter (1998) richtig an: „... es handelt sich hierbei ... um ineinander verschachtelte Phasen, ... . Die einzelne, isolierte Information ohne jegliche Beziehung und Bindung zu anderen Sinneskanälen ist bedeutungslos.”

Wichtiger allerdings sind die Annahmen, die AYRES (1984) dann zur weiteren Entwicklung der sensorischen Integration gemacht hat: diese führen zum Aufbau komplexer Systeme, so genannter höherer Hirnfunktionen, die ein koordiniertes Verhalten und schließlich ein zielgeleitetes und systematisches Handeln erst möglich machen.

Ein Modell der sensorischen Integration
AYRES stellt folgendes Modell auf, die die Entwicklung höherer Hirnfunktionen aus basalen Wahrnehmungsprozessen erklärt:

Ayres Modell allerdings behauptet nur, dass der Aufbau von komplexen Hirnfunktionen so statt findet. Eine wirkliche Erklärung, wie es statt findet, hat sie nicht.

Ein anderes Modell, sowohl von seiner Struktur als auch mit den selben Problemen des Beweisens stammt von Luria (1970)

Die Sinneskanäle
Hören besteht aus der Schallaufnahme, deren Weiterleitung im Hörnerv und die Verarbeitung in der primären Hörrinde. Neben der Fähigkeit, verschiedene Geräusche voneinander zu unterscheiden, ist hier vor allem die Lokalisierung von Schallgeräuschen im Raum wichtig.

Beim Sehen werden Lichtreize von der Netzhaut über die Sehbahn zur Sehrinde weitergeleitet. Grundlegende Leistungen der visuellen Wahrnehmung sind die Weite des Gesichtsfeldes, das Erfassen von Raumtiefe und die Farbtüchtigkeit.

Das vestibuläre System besteht vor allem aus dem Vestibularapparat, der dicht beim Ohr sitzt und dessen Vernetzung mit der Gelenkstellung (propriozeptives System) und der Blickmotorik. Dieses System ist wesentlich an der Körperhaltung, aber auch an der Körperkoordination beteiligt.

Das propriozeptive System ist das zunächst unscheinbarste System im Körper. Anders als die klassischen Sinne (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen) und der Gleichgewichtssinn, der im Kinderspiel besonders auffällig erprobt wird, tritt es so selbstverständlich in Erscheinung, dass es oft vergessen wird. Dieser häufig auch als Stellungssinn bezeichnete Wahrnehmungskanal entsteht aus Nervenimpulsen von den Muskeln. Diese nehmen Reize zur Gelenkstellung, Bewegung und Muskelkraft auf. Die weitere Verarbeitung von propriozeptiven Reizen ist relativ komplex und bindet verschiedene Hirnregionen ein.

Dem verwandt ist das taktile System, auch Hautsinn genannt. Die biologische Verwandtschaft wird nicht nur durch ähnliche Reizaufnahmen, sondern auch durch ähnliche Weiterverarbeitung nahe gelegt. Das taktile System empfängt Druck- und Berührungsreize (mechanosensorisches System), sowie Kälte- und Wärmereize (thermosensorisches System).

Das gustatorische System nimmt Reize auf der Zungenoberfläche auf. Diese lassen sich in vier verschiedenen Geschmacksqualitäten einteilen: süß, sauer, salzig und bitter. Komplexere Geschmacksempfindungen entstehen dagegen nicht auf der Zunge, sondern durch Einarbeiten olfaktorischer Reize.

Von der Nasenschleimhaut aufgenommene Reize werden komplex weiter geleitet. Beim olfaktorischen System wird angenommen, dass es Appetitverhalten, affektives und sexuelles Verhalten sowie vegetative Reaktionen (z.B. Speichelfluss, Übelkeit) regelt.

Störungen der Sinneskanäle
Störungen der Sinneskanäle sind recht vielfältig. Neben sog. peripheren Schädigungen, die die Reizaufnahme betreffen, gibt es zentrale Schädigungen. Blindheit kann z.B. durch Schädigung der Netzhaut peripher verursacht werden, aber auch zentral durch Ausfall der Sehrinde im Hirn. Störungen der taktilen Sensibilität können z.B. durch Narbengewebe oder durch spezifische Lepraerkrankungen peripher hervorgerufen werden, durch Multiple Sklerose dagegen im Rückenmark und Hirnstamm an zentraler Stelle.

Neben solchen Formen der pathologischen Veränderung von Reizaufnahme, -weiterleitung und -verarbeitung gibt es heute stark die Diskussion von diffusen Formen der Sinnesstörungen im Zusammenhang mit schulischer Bildung und Intelligenzschwächen. Diese diffusen Formen macht man heute weitestgehend für die nicht deutlich klassifizierbare Gruppe von Schülern mit Lernbeeinträchtigungen und Lernbehinderungen verantwortlich. Auch für das als ADS bekannte Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom werden solche diffusen Störungen angenommen.

Kognitive Bedingungen

Zwei Modelle des Lernens

Unterschiedliche Formen des Lernens sind bekannt und können z.B. hinsichtlich der Lernorte unterschieden werden. Planmäßiges Lernen erfolgt unter Anwendung von Lehrmethoden, die das Lernen unterstützen sollen, im Bildungswesen, also durch den Besuch von Schule, Angeboten der Erwachsenenbildung oder E-Learning. Nicht jeder lernt auf jede Weise gleich leicht, es gibt unterschiedliche Lerntypen.

Unter anderem das Konzept des Widerständigen Lernen zeigt, dass sich der Lernerfolg nicht formelhaft aus Lernziel und Lernmethode zusammensetzt. Dies liegt im institutionalisierten Bildungswesen u.a. auch daran, dass neben den offiziellen Lernzielen auch heimliche Lehrpläne wirken.

Die ganze Lebensspanne wird heute unter dem Begriff des lebenslangen Lernens einbezogen. Soziales Lernen, Globales Lernen und Interkulturelles Lernen sind besondere Formen des Lernens hinsichtlich der mit ihnen benannten Bildungs- und Erziehungsziele.

Der Begriff des Organisationalen Lernen bezieht sich auf angeleitetete Veränderungsprozessen im betrieblichen Management bzw. ganzer Organisationen.

Aus dem Bereich der Informatik, nämlich der Künstlichen Intelligenz stammen die Begriffe Überwachtes Lernen sowie Maschinelles Lernen.

Wer lernen möchte, muss den Grundgedanken eines Systems verstehen. Es bringt beispielsweise nichts, auswendig zu lernen: [HCl + NaOH reagiert zu NaCl + \mathrm{H_2O}] Bei derselben Aufgabe mit Schwefelsäure stünde man sonst ratlos da. Man muss verstehen: [Säure + Lauge reagiert zu Salz + Wasser]

Neuronale Netze als Unterrichtsarrangement

Gegenwärtig bestehen Bestrebungen, die Erkenntnisse der Gehirnforschung stärker für die methodische Gestaltung des Unterrichts umzusetzen. Ein fruchtbares Modell für eine solche Umgestaltung bieten die neuronalen Netze. Neuronale Ensembles lernen dann, wenn zwischen den Neuronen stabile Konstellationen entstehen. Auf eine Lernergruppe bezogen bedeutet es, dass zwischen den Lernern durch stoffbezogene intensive und langfristige Interaktionen stabile Verbindungen aufgebaut werden. Ferner sollen diese "neuronalen Netze" selbst kollektiv Wissen konstruieren. Realisiert wird dieses Modell beispielsweise im Rahmen der Unterrichtsmethode Lernen durch Lehren.

Literatur

  • Frigga Haug: Lernverhältnisse - Selbstbewegungen und Selbstblockierungen ISBN 3886193241
  • Bednorz, P. & Schuster, M.: Einführung in die Lernpsychologie. 2002. Verlag UTB Reinhardt, ISBN 3-8252-1305-6
  • Werner Metzig, Martin Schuster: Lernen zu lernen - Lernstrategien wirkungsvoll einsetzen. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 2003. ISBN 3540442642
  • Manfred Spitzer: Lernen. Heidelberg: Spektrum Verlag, 2002. ISBN 3-8274-1396-6
  • Steeg, Friedrich H.: Lernen und Auslese im Schulsystem am Beispiel der "Rechenschwäche". Ffm./Berlin/Bern/N.Y./Paris/Wien 1996, Peter-Lang-Verlag, ISBN 3-631-30731-4 Rezensionen und Buchdownload
  • Patrick Haas: Der Lern Faktor - Methoden für effektiveres Lernen in Schule, Studium und Beruf. Norderstedt: BoD, 2005. ISBN 3833429143

Siehe auch

  • Lernmethoden, Lerntechniken, Lerntheorien, Lerntypen
  • Gehirngerechtes Arbeiten, E-Learning
  • Globales Lernen, Interkulturelles Lernen
  • Lernen durch Lehren
  • Widerständiges Lernen, Wissenstrieb
  • Portal Bildung und Schule
  • Analphabetismus, Analphabit, Legasthenie, Dyskalkulie
  • Lernverhalten von Pferden
  • Mnemotechniken

Weblinks