Multiple SkleroseDie Multiple Sklerose (MS) ist als entzündlich/demyelinisierende und degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems nach der Epilepsie die zweithäufigste neurologische Erkrankung jüngerer Erwachsener. Die Krankheit zeichnet sich durch zwei wesentliche Merkmale aus. Zum einen treten im Gehirn und teilweise auch im Rückenmark verstreut Entzündungen auf, die durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf die Myelinscheiden der Nerven verursacht werden. Außerdem kommt es aus verschiedenen Gründen (siehe 4.2) zu einer zellulären Schädigung der Axone. Durch diese Entwicklungen kommt es im Krankheitsverlauf zu einer verminderten Leitfähigkeit der Nervenbahnen, wodurch die typischen Symptome wie Kribbeln, Spastiken, Lähmung, schnelle Ermüdbarkeit (Fatigue) sowie Sehstörungen ausgelöst werden. Entgegen der landläufigen Meinung führt MS nicht zwangsläufig zu schweren Behinderungen. 15 Jahre nach Erkrankungsbeginn sind (ohne Therapie) mindestens 50 % aller Patienten noch gehfähig. Multiple Sklerose ist weder ansteckend noch tödlich. Weniger als 10 % der MS-Patienten sterben an den direkten Folgen der Erkrankung bzw. deren Komplikationen. EpidemiologieDie Multiple Sklerose ist in Mitteleuropa die häufigste entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Die ersten Symptome treten meist bei jungen Menschen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, häufig bleiben diese aber unentdeckt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Schätzungen ergeben für Deutschland etwa 100.000 (Quelle: DMSG), in Österreich etwa 8500 Erkrankte, wobei die Schätzungen der Erkranktenzahl in Deutschland von ca 67.000 bis ca. 138.000 reichen [1]. Die hohe Streuung erklärt sich aus der vermuteten hohen Anzahl an nicht diagnostizierten Erkrankten. In der äquatorialen Zone gibt es weniger MS-Erkrankungen als in den nördlichen bzw. südlichen Breiten. Durch Zuwanderungsstudien konnte gezeigt werden, dass das nur für Menschen gilt, die in der frühen Kindheit umzogen, so dass die MS auch als späte Folge einer frühen Infektionskrankheit diskutiert wird. Direkt übertragbar ist die MS nicht, wie anhand von Studien mit Adoptivkindern festgestellt werden konnte. Nach einer Untersuchung von Anne-Louise Ponsonby an der Australian National University in Canberra ist die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, um so niedriger, je länger man mit Geschwistern zusammenlebt. Hat man mehr als fünf Jahre Kontakt mit Geschwistern reduziert sich das Risiko um circa 90 Prozent. Die Wissenschaftlerin erklärt sich das durch die gegenseitige Ansteckung von Geschwistern mit Infektionskrankheiten, was wiederum generell vor Autoimmunkrankheiten schützt. GenetikDie MS ist keine klassische Erbkrankheit. Momentan geht man von einer Kombination von genetischer Disposition und äußeren Faktoren aus. Bei den Erbfaktoren der MS handelt es sich um polygene Merkmale, d. h. dass erst mehrere Gene zusammen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bedeuten. Zwei Studien, die in Kanada und Großbritannien durchgeführt wurden, zeigen folgendes Bild für die Erkrankungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrades:
FormenEs wird zwischen mehreren Verlaufsformen unterschieden:
Während die Entzündungen beim schubförmigen Verlauf in akuten Phasen auftreten und nach Abklingen der Entzündung zumindest teilweise auch die Symptome wieder verschwinden, geht die Verstärkung der Symptome beim primär und sekundär progredienten Verlauf schleichend und beim fulminanten Typ sehr schnell vor sich. PathophysiologieSchädigung der MyelinschichtNach derzeitigem Erkenntnisstand wird der entzündliche Prozess, der zur Schädigung der Myelinschicht führt, mit folgendem Ablauf erklärt: Spezielle Zellen des Immunsystems (CD4-Th1-T-Zellen) wandern durch die Blut-Hirn-Schranke in das Zentrale Nervensystem (ZNS) ein. Dort treffen sie auf die Körperzellen (Antigen), auf welche die Abwehrzellen reagieren (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Die aktivierten CD4-Zellen schütten im weiteren Botenstoffe (Zytokine) aus, die eine entzündungs- und immunreaktionsfördernde Wirkung haben. Solche Botenstoffe sind: Der Tumornekrosefaktor (TNFa), Gamma-Interferon (IFNy), Interleukin-2 (IL-2) und Interleukin-12 (IL-12).Experimentelle Daten deuten darauf hin, dass bereits geschädigte Nervenfasern zumindest teilweise ihre Leitfähigkeit wieder erlangen können, indem sie vermehrt Natrium-Kanäle in der Zellmembran exprimieren. Schädigung der AxoneDurch moderne bildgebende Verfahren, wie z.B. der Kernspintomographie, ist es in den letzten Jahren möglich geworden, sicher nachzuweisen, dass die Schädigung von Axonen ein - wenn nicht sogar der entscheidende - Faktor bei der Entwicklung bleibender Behinderungen darstellt. Dabei zeigen Untersuchungen, dass diese Schädigungen nicht nur in chronischen Verlaufsformen oder späten Stadien der schubförmigen MS passieren, sondern von Anfang an beteiligt sind.Die Mechanismen, die zu dieser Art von Schäden führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Momentan scheint eine Fehlregulation des Gehirn-Botenstoffs Glutamat sowie die vermehrte Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) eine wichtige Rolle zu spielen. Ein weiter Aspekt könnte auch die direkte Zerstörung von Axonen durch autoreaktive CD8-T-Zellen sein. Tierexperimente, in denen Medikamente für den Abbau von Glutamat (im Gehirn) eingesetzt wurden, zeigten eine signifikante Reduktion axonaler Schäden. DiagnoseDa die Analyse der auftretenden Symptome häufig keine zweifelsfreie Diagnosestellung zulässt, werden zusätzliche neurologische und radiologische Untersuchungen durchgeführt:
TherapieObwohl eine Heilung von Multipler Sklerose bis jetzt noch nicht möglich ist, sind in den vergangenen Jahren einige Medikamente entwickelt worden, die den Verlauf der MS verlangsamen können. LangzeittherapieDurch die zur Verfügung stehenden Medikamente können folgende therapeutische Erfolge erzielt werden, die die Progression der Behinderung verzögern:
Folgende Medikamente stehen derzeit zur Verfügung:
Therapie akuter SchübeUnter der Gabe von hoch dosiertem Kortison kann während eines akuten Schubes die Entzündungsreaktion binnen kürzester Zeit beendet werden. Folgende Infusionsdosierungen sind - abhängig von der Schwere des Schubs und der Konstitution des Patienten - üblich:Jeweils 1x täglich ...
Da Kortison sehr gut aus dem Magendarmtrakt resorbiert wird, kann die Kortisongabe auch in Tablettenform erfolgen und auf ca. 3 Wochen ausgedehnt werden, wobei die tägliche Dosis langsam reduziert wird: "Ausschleichen". Sind nach dem Ausschleichen die Auswirkungen eines Schubes noch immer spürbar, soll nach jüngster Empfehlung der deutschen Gesellschaft für multiple Sklerose eine zweite Kortison-Pulstherapie mit doppelter Dosierung durchgeführt werden. Allerdings gibt es bis jetzt keine studiengestütze Hinweise, dass der Langzeitverlauf der Krankheit durch Kortison positiv beeinflusst würde. Zu dieser Fragestellung gab es aber bis jetzt noch keine wirklich aussagekräftigen Studien. Symptomatische TherapieIm weiteren Verlauf der MS entstehen bei Patienten oft Symptome, die zwar nicht ursächlich behandelt werden können, deren Auftreten aber durch verschiedene Medikamente gemildert werden kann. Die wichtigsten Beschwerden mit einigen dazu gängigen Medikamenten werden im Folgenden aufgelistet:
Alternative TherapieIm Folgenden sind einige diskutierte alternative Verfahren zur Behandlung der MS aufgelistet. Es muss erwähnt werden, dass keine davon wissenschaftlich untersucht worden ist und daher auch keine Aussagen über deren Wirksamkeit getroffen werden können.
AusblickeImmunmodulatorische und neuroprotektive Langzeittherapie
Symptomatische Therapie
RemyelinisierungZiel der Remyelinisierung ist es, bereits entstandene Schäden bei MS-Patienten durch einen Wiederaufbau der Myelinschicht zu reparieren. PrognoseBislang ist es zu Beginn der Erkrankung kaum möglich, eine Prognose über den weiteren Verlauf zu stellen, was die betroffenen Patienten sehr belastet. Man nennt Multiple Sklerose deshalb auch "die Krankheit mit den tausend Gesichtern". Eine Lösung dieses Problems könnte die Bestimmung der anti-MOG-Antikörper und anti-MBP-Antikörper bieten ? siehe Multiple Sklerose (Studien). Andere Bezeichnungen der Krankheit
Siehe auch
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