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Reversibilität

Die Reversibilität (lat. revertere : umwenden) bezeichnet eine Umkehrbarkeit von Prozessen, die ohne bleibende Veränderungen im System, in dem der Prozess verläuft, zurückgeführt werden können.

[[Reversibilität im Wahrnehmungsprozess

Im Wahrnehmungsprozess werden Gegenstände und Erscheinungen der objektiven Realität im Bewusstsein gegenständlich, ganzheitlich, strukturiert, konstant und sinngefüllt abgebildet. Dabei können reversible Wahrnehmungsbesonderheiten auftreten:

  • Bei doppeldeutigen Bildern, sogenannten Kippfiguren, nimmt man oftmals rasch wechselnd entweder die Figur oder den Hintergrund wahr. Infolge der Reversibilität sind zwei Gesichter im Profil oder ein Becher bzw. weiße Figuren auf schwarzem Grund oder schwarze Figuren auf weißem Grund zu erkennen.

Die optische Wahrnehmung kann durch spezielle Brillen entstellt werden. Nach einer Gewöhnungszeit werden jedoch diese Verzerrungen korrigiert und schließlich nicht mehr bemerkt, obwohl die Netzhautbilder nach wie vor entstellt sind.

Reversibilität im Denkprozess

Im Denkprozess spielt die Reversibilität eine bedeutende Rolle und wird z.B. von Piaget als grundlegendes Merkmal der Intelligenz betrachtet. Beim intellektuellen Erfassen von Zusammenhängen, Lösen von Aufgaben u.a. ist es häufig erforderlich, von einem Gedankengang auf den entgegengesetzten umzuschalten, Umkehroperationen einzusetzen u.a. Das setzt voraus, das einem bestimmten direkten Denkweg zugrundeliegende Wesentliche zu erfassen und es unter veränderten Bedingungen der Umkehrung adäquat anzuwenden.

Niveau und Besonderheiten der Reversibilität

Niveau und Besonderheiten der Reversibilität bei der Bewältigung intellektueller Anforderungen sind wesentlicher Ausdruck des Entwicklungsniveaus geistiger Fähigkeiten. Im konkreten Fall wird die Reversibilitätsleistung sowohl durch die beim Subjekt vorhandenen und unter den konkreten Bedingungen einsetzbaren Sach- und Verfahrenskenntnissen als auch durch motivitationale und emotionale Faktoren wie Leistungsstreben, Erregung, Angst u.a. beeinflußt.

In Untersuchungen an Schülern der 7. Klassen konnten ausgeprägte Niveauunterschiede der Reversibilität zwischen schulleistungsstarken, -schwachen sowie Schülern mit mittleren Leistungen beim Lösen unterschiedlicher mathematischer Problemaufgaben festgestellt werden. Die Reversibilität kennzeichnet ein wesentliches Merkmal der gesamten Handlungsregulation, bei der ständig Zielsetzungs- und Rückkopplungsprozesse ineinander übergehen.

Im Unterschied zu derartigen aktualgenetischen, d.h. im Verlaufe eines aktuellen, mehr oder weniger kuzzeitigen psychischen Geschehens (Wahrnehmen, Denken usw.) auftretenden Erscheinungen oder Leistungen der Reversibilität wird der Begriff zuweilen auch für die Kennzeichnung von Besonderheiten und Entwicklungsverläufen im Rahmen der Ontogenese verwendet.

Reversibilität im Verlaufe der Denkentwicklung

Im Verlaufe der Denkentwicklung z.B. treten Besonderheiten auf:

  • Das Vorschulkind denkt vorwiegend situativ, es ist stark an das unmittelbare Handeln und die Anschaulichkeit gebunden; später entstehen höhere Stufen, vor allem das theoretische Denken.

Entwicklungsbedingte Denkstile führen häufig zu Denkfehlern, die jedoch reversibel sind und im weiteren Entwicklungsverlauf - abhängig von den Entwicklungsbedingungen - korrigiert werden. Beispiele dafür sind das Urheberdenken, das magisch orientierte Denken von Kindern, das übernatürliche Kräfte als Ursache vieler Vorgänge betrachtet, und das kindliche Wenn-Dann-Denken, das zwar mögliche Ursachen für Erscheinungen erkennt, aber noch nicht die echten Kausalbeziehungen herstellt.

Reversibilität in der Medizin

In der Medizin wird reversibel im Sinne von vorübergehend, heilbar verwendet.

Siehe auch

Gegensatz: Irreversibilität