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Gedächtnissport

Unter Gedächtnissport versteht man Wettkämpfe im Auswendiglernen von abstrakten Datenmengen. Es geht hierbei nicht um das Erlernen und Erlangen von neuem Wissen, sondern um das möglichst schnelle Einprägen möglichst großer, eigentlich nutzloser Datenmengen um die Leistungen im Auswendiglernen vergleichbar zu machen. Die Gedächtnissportler greifen dabei auf Mnemotechniken zurück, welche für jederman leicht erlernbar sind und auch im Alltag große Vorteile bringen. Durch gezieltes Training und Spezialisieren der Techniken auf die Wettbewerbsdisziplinen schaffen die Gedächtnissportler schier unvorstellbare Merkrekorde wie z.B. das Auswendiglernen einer über 1000stelligen Zahl in nur 30 Minuten.

Es finden regelmäßig nationale und internationale Meisterschaften in verschiedenen Disziplinen statt. Die Wettbewerbe sind in der Regel Mehrkämpfe, bei denen für die Leistungen in den Teildisziplinen nach einem bestimmten Schlüssel (dem so genannten Millennium Standard) Punkte vergeben werden.

Dank einiger spektakulärer Fernsehauftritte von herausragenden Vertretern des Gedächtnissports ist diese Sportart zu Beginn des 21. Jahrhunderts einem größeren Publikum bekannt geworden.

Organisationsstrukturen

Es gibt in Deutschland den Verein MemoryXL e. V. Der Verein wurde 2002 in Weimar gegründet, ist eingetragen und als gemeinnützig anerkannt. Neben den Meisterschaften organisiert MemoryXL auch Seminare für Lehrer und Schüler und unterstützt Projekte in Zusammenhang mit Gedächtnistraining. In Deutschland gibt es seit zwei Jahren je eine Nord- und Süddeutsche Meisterschaft. Dies soll mittelfristig auf vier (Nord-, West-, Süd- und Osttdeutsche Meisterschaft) ausgeweitet werden. Die jeweiligen Sieger in den drei Alterskategorien (Kinder: <12, Jugend: 12-17, Erwachsene >17 Jahre) sind dann für die anstehende deutschen Meisterschaft qualifiziert. Bei den Nord- und Süddeutschen Meisterschaften nehmen die sechs besten der letzten deutschen Meisterschaft nicht teil. Diese sind automatisch für die nächste DM qualifiziert. Dies hat den Sinn, neue Teilnehmer nicht durch schier unerreichbar hohe Ergebnisse abzuschrecken.

Die deutsche Meisterschaft wird von der Gesellschaft für Gedächtnis- und Kreativitätsförderung e. V. (GGK) seit 1997 organisiert. Seitdem es MemoryXL gibt, findet die Meisterschaft unter Organisations-Kooperation von MemoryXL und GGK statt. MemoryXL sieht sich dabei als europäische Gesellschaft und organisiert auch die National-Meisterschaften von Tschechien und Rumänien.

MemoryXL wird außerdem in diesem Jahr erstmals eine Landesmeisterschaft für Kinder und Jugendliche ausrichten. Solche Landesmeisterschaften gibt es in Österreich schon sehr lange und haben das Ziel, auch viele Schüler, die vorher wenig oder gar nicht Gedächtnistechniken trainiert haben, "anzuwerben".

International obliegt das meiste dem World Memory Sports Council (WMSC), welcher von Tony Buzan geleitet wird. Er hat unter anderem die Mind Maps erfunden und zahlreiche Bücher über Gedächtnistechniken geschrieben. Das WMSC organisiert seit 1991 Weltmeisterschaften. Diese fanden bis 2002 immer in London statt. 2003 war die Weltmeisterschaft in Kuala Lumpur und wurde mit der dortigen Firma "Total Recall" ausgerichtet. 2004 fand sie in Manchester statt.

Im Jahr 2006 wird es Umstrukturierungen im Gedächtissport geben. Um dem Ziel der offiziellen Anerkennung als Sportart z.B. beim IOC oder dem deutsche Sportbund Rechnung zu tragen, wird das WMSC als Welt-Dachverband neuformiert und die Länder sind aufgefordert eigene nationale Gedächtnissportverbände zu gründen. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft ist ab 2006 nur noch möglich, wenn der Gedächtnissportler einem Verein angehört, der wiederum einem nationalen Verband zugeordnet ist. Ausnahmen sind nur für Sportler aus Nationen möglich, die noch keinen eigenen Verband haben. Mit diesem System werden die Organisationsstrukturen denen anderer Sportarten angelehnt.

Wertungsystem

In allen Disziplinen werden die einzuprägenden Inhalte (siehe unten) in Gruppen vorgelegt. Also z.B. immer 40 Ziffern in einer Reihe oder 20 Wörter in einem Block (Angaben für Meisterschaften der Erwachsenen. Bei Kindern sind weniger in einer Zeile/Gruppe). Die Wertung erfolgt dann so, dass ein Fehler in einem Block eine Reduzierung der Punktzahl für den BLock auf die Hälfte, ein zweiter Fehler Null Punkte für diesen Block zu Folge hat. Wenn sich also ein(e) Gedächtnissportler(in) 120 Zahlen in 5 Minuten merken möchte, so wären dies drei 40er-Blöcke. Hat er nun z.B. den ersten und den dritten richtig und im zweiten Block genau eine der 40 Ziffern falsch, würde dies wie insgesamt 100 memorierte Zahlen gewertet. Hatt er in jedem Block genau 2 Ziffern falsch, so gibt dies keinen Punkt mehr, obwohl er oder sie 114 Ziffern richtig hatte. Ausnahmen gibt es nur bei den gesprochenen Zahlen (hierbei wird bis zum ersten Fehler gewertet. Wenn jemand 200 richtig hat, aber die erste fehlt, so gibt dies keinen Punkt) und bei der Disziplin "Speed Cards" (hierbei wird ebenfalls nur bis zur ersten falschen Karte gezählt).

Disziplinen

Es gibt hauptsächlich folgende Disziplinen, die je nach Meisterschaft über unterschiedliche Zeiten (5 Minuten, 10 Minuten, 30 Minuten oder 60 Minuten) stattfinden:

Geschriebene Dezimalziffern

Dies ist eigentlich die klassische Disziplin, die bei keinem Turnier fehlt. Der Sportler hat eine abstrakte "Datenmenge" zum Auswendiglernen, die er mit normalem "Pauken" nicht bewältigen kann. Daher greifen hier Mnemotechniken, auf denen das gesamte Auswendiglernen beruht, am allerbesten.
  • Aktueller Weltrekord bei 5 Minuten Dezimalziffern: 324 (Jan Forman, Dänemark)
  • Aktueller Weltrekord bei 30 Minuten Dezimalziffern: 1004 (Astrid Plessl, Österreich)

Gesprochene Zahlen

Diese werden im 1-Sekunden-Takt vorgelesen und haben die zusätzliche Schwierigkeit, dass sich der Sportler an den Takt halten muss. Der Sportler kann sich also für bestimmte Stellen, wo er Probleme hatte passende Bilder (auf denen die Mnemotechniken beruhen) zu finden, nicht mehr Zeit nehmen. Auch hat er keine Möglichkeit die Ziffern zu wiederholen. Es muss sofort beim ersten Mal sitzen. Daher ist diese Disziplin eine der schwierigsten. Der Weltrekod liegt aber inzwischen auch bei fast 150 im Sekunden-Takt vorgelesenen Ziffern

Geschriebene Binärzahlen (Dualzahlen)

Wie geschriebene Dezimalziffern, nur dass man zusätzlich die Dualzahlen noch in Dezimalziffern umwandeln muss, um mehr "abspeichern" zu können. Zum Einprägen erhalten die Gedächtnissportler nur einen Zettel mit Nullen und Einsen, deren Reihenfolge sie sich einprägen müssen.

Spielkarten

Spielkarten in vorgegebener Zeit

Hierbei geht es darum möglichst viele gemischte Pakete von Spielkarten (52er Blatt) zu memorieren (auswendig zu lernen). Auch hier gilt, dass es abstrakte Daten sind und Mnemotechniken besonders gut greifen.

"Speed Cards"

Diese Disziplin wird von vielen als Königsdisziplin angesehen. Es geht darum die Reihenfolge eines gemischten Kartenstapels von 52 Karten auf Zeit einzuprägen. Neben den Mnemotechniken sind hier auch schnelle Wahrnehmungsfähigkeit besonders wichtig. Grade diese Disziplin wird auch von Wissenschaftlern untersucht, da sich die besten Gedächtnissportler inzwischen ein Paket Karten schneller einprägen können, als ein Untrainierter benötigt, um den Kartenstapel durchzugehen und bei jeder Karte wahrzunehmen, welche es denn ist. Der Weltrekord liegt bei 34 Sekunden im Einprägen eines 52er Kartenstapels.

Die nachfolgenden Disziplinen werden nur bei einigen Meisterschaften durchgeführt, da sie auf Grund der Abhängigkeit der Sprache des Sportlers einige Kritiker haben:

Namen und Gesichter

Es sind ca. 100 Fotos mit Vor- und Nachnamen gegeben und möglichst viele Namen einzuprägen. Hinterher bekommen die Teilnehmer die Fotos in veränderter Reihenfolge (wichtig!) und müssen die Namen dazu notieren. Der Weltrekord liegt bei 151 Punkten in 15 Minuten, dabei zählt jeder richtige Vor- oder Nachname einen Punkt. Wenn zu einer Person Vor- und Nachname stimmen, gibt es für die Person zwei Punkte. Hierbei sind andere Techniken zu benutzen, da man die gemerkten Informationen an den Bildern festmachen muss und nicht auf vorher gelernten Wegen verknüpfen kann.

Wörter

Eine Liste mit Wörtern ist auswendig zu lernen und in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben. Der Weltrekord liegt bei ca. 200 Wörtern in 15 Minuten.

Hierbei ist insbesondere die so genannte Routenmethode elementar. Das Einzuprägende muss nicht erst wie bei Zahlen oder Karten in Bilder decodiert werden, sondern wird direkt auf den Routen gespeichert.

Text

Ein vorgegebener Text muss mit Satzzeichen, Zeilenumbrüchen, besonderen Schreibweisen etc. komplett richtig eingeprägt werden. Hierbei kommt es darauf an, dass auch das assoziative Gedächtnis sehr gut ist, da die meisten Teilnehmer (zumindest die in dieser Disziplin erfolgreichen) nur Schlüsselwörter als Anhaltspunkte auf den Routen speichern. Durch mehrmaliges Wiederholen merkt sich das Lautgedächtnis dann auch den Rest und der ganze Text kann rekapituliert werden. Der Weltrekord liegt bei über 300 Punkten in 15 Minuten. Hierbei wird pro Wort und Satzzeichen ein Punkt vergeben. Da Texte sehr unterschiedlich schwer sein können, schwanken die Ergebnisse doch recht stark.

Fiktive Daten

Zu Jahreszahlen zwischen 1000 und 2099 werden fiktive Daten (z. B. "Krönung Kaiser Konstantin", "Sinken der Queen Margot vor Grönland" etc.) gegeben. Hinterher werden die Daten in anderer Reihenfolge vorgelegt und die Jahreszahlen sind dazu zu schreiben. Hierbei kommt es darauf an, die Zahlen mit Wörtern zu verknüpfen und zu merken. Der aktuelle Weltrekord liegt bei 80 Daten in 5 Minuten. Der deutsche Rekord bei 60.

Aktuelle Meister

  • Weltmeister 2004: Ben Pridmore (UK)
  • Deutscher Meister, ehemaliger Vizeweltmeister: Dr. Gunther Karsten
  • Österreichische Meisterin, Frauenweltmeisterin und Gesamt-Zweite der WM 2004: Astrid Plessl
  • Deutscher Juniorenmeister: Sebastian Bunk
  • Deutsche Kindermeisterin: Katharina Bunk

Siehe auch: Gedächtnis, Eselsbrücke, Lernen, Mnemotechnik

Weblinks