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Chorea Huntington

Die Chorea Huntington ist eine autosomal dominant vererbte, degenerative Nervenerkrankung, die meist zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr zu ersten Krankheitssymptomen führt. Männer und Frauen sind in gleicher Weise betroffen. Homozygote Mutationsträger, d.h. solche mit zwei mutierten Allelen, sind jedoch nicht stärker betroffen als heterozygote. Es ist eine der häufigsten erblich bedingten Hirnstörungen mit einer Inzidenz von 1:10.000, diese schwankt jedoch von Land zu Land erheblich (Bsp. Japan: 1:100.000). Seit 1993 lässt sich das krankmachende Allel auf dem kurzen Arm des 4. Chromosom (Locus 4p16.3) nachweisen, auch beim Ungeborenen durch Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie.

Herkunft des Namens

Die Chorea Huntington (choreia, gr. = Tanz) wurde 1872 von dem New Yorker Arzt George Huntington (1850-1916) ausführlich beschrieben. Er erkannte, dass diese Besonderheit in manchen Fällen vererbt wird. Er war jedoch anfangs der Annahme, dass die Ausbreitung von Chorea H. auf Long Island (USA) beschränkt ist. Tatsächlich war sie aber bereits damals weltweit anzutreffen. Der deutsche Name ist "erblicher Veitstanz".

Organische Ursachen

Bei den betroffenen Personen verkümmert der Streifenkörper im Gehirn. Er hat als Zentrale des Extrapyramidalen Systems einen dämpfenden Einfluss auf die motorische Aktivität. Dies erklärt die unfreiwilligen Bewegungen der Betroffenen. Ausgelöst wird dieser Schwund durch ein anomales Protein, das erstens ein Zellgift ist und zweitens die Produktion eines wichtigen Wachstumfaktors nicht mehr anregt. Man hat entdeckt, dass die Bauanleitung für die Codierung dieses Proteins, Huntingtin genannt, im kurzen Ende des Chromosoms 4 liegt. Schon bei gesunden Menschen wiederholt sich dort das Basentriplett CAG (Cytosin, Adenin, Guanin) 9 bis 35 Mal - ein so genanntes Stotter-Gen. Bei Kranken kommt dieses Triplett von 40 bis zu 250 Mal vor. Je häufiger sich diese Wiederholung ereignet, desto früher tritt Chorea H. auf. Die juvenile Chorea H. manifestiert sich bei über 60 CAG-Tripletts bereits ab dem 20. Lebensjahr. Ein Ausbruch im vierten Lebensjahr ist beschrieben. Bei Vererbung durch den Vater erhöht sich die Zahl der CAG-Tripletts häufig, während sie bei Vererbung durch die Mutter meist konstant bleibt. CAG synthetisiert die Aminosäure Glutamin. Durch die vererbte Mutation des Huntingtin-Gens (Allel) auf dem 4. Chromosom werden Aminosäuren (und damit Proteine) fehlerhaft codiert. Es handelt sich dabei um eine "Gain-of-Function-Mutation", d.h. die normale Funktion des Huntingtin-Proteins bleibt erhalten, zusätzlich jedoch trägt es weitere - toxische - Eigenschaften. Statt einer normalen Struktur wird eine Amyloidstruktur produziert. Die Nervenzellen, insbesondere in den Stammganglien und der Hirnrinde, werden zerstört.

Wodurch diese Zerstörung jedoch genau erfolgt, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. So ist auch eine Toxizität des freien mutierten Huntingtins denkbar (und teils auch nachgewiesen), so dass die Huntingtinaggregate als (ineffektiver) Schutz angesehen werden könnten. Experimentell gelingt es, mit Kongorot (einem Farbstoff, welcher an Amyloidstrukturen bindet) diese Aggreagation zu inhibieren, wobei sich dieser Stoff auch an freies mutiertes Huntingtin anheftet und so auch dessen Toxizität verringern kann. Neue kausale Therapieformen sind auf dieser Grundlage endlich im Bereich des Möglichen, wenn auch noch Jahre entfernt. Huntingtin wird in allen kernhaltigen Körperzellen exprimiert, eine Toxizität ist jedoch nur in den beschriebenen Arealen nachweisbar. Auch dieser Umstand ist derzeit (2005) nur unbefriedigend erklärbar.

Psychische Beschwerden

Psychische Beschwerden gehen den neurologischen Auswirkungen häufig voran. Im Frühstadium werden leichte Beeinträchtigungen der intellektuellen Fähigkeiten sowie Gedächtnisstörungen oft übersehen. Zu den ersten Erscheinungen der psychischen Veränderung gehören ein unbedachtes und impulsives Verhalten sowie eine Enthemmung in zwischenmenschlichen Beziehungen. Aufgrund der mangelhaften Kontrolle über die Muskulatur (z.B. des Gesichtes mit Grimassieren) kann der falsche Eindruck eines bereits fortgeschrittenen Persönlichkeitsverlustes entstehen, was bei den Patienten Resignation und Depressionen hervorruft. Im Spätstadium der Erkrankung entwickeln die Patienten eine Demenz, d.h. es ist zum Verlust kognitiver Fähigkeiten gekommen. So finden sich Störungen der Merkfähigkeit, damit im Zusammenhang stehend eine Desorientierung und eine Sprachverarmung. Einige Patienten entwickeln Wahnvorstellungen. Neurologische Auswirkungen">

Neurologische Auswirkungen

Die Erkrankung beginnt mit einer Bewegungsunruhe der Arme und Beine, des Kopfes sowie des Rumpfes. Diese Unruhe steigert sich zu choreatischen Hyperkinesien. Das sind plötzlich einsetzende, unwillkürliche Bewegungen verschiedener Muskeln, wodurch die Willkürbewegungen unterbrochen werden. Betroffene versuchen zunächst, die choreatischen Bewegungen zu verbergen, in dem sie diese in willkürliche Bewegungsabläufe einbauen, z.B. lecken sie sich nach dem unwillkürlichen Herausstrecken der Zunge die Lippen oder streichen sich nach einer einschießenden Beugebewegung des Armes über das Haar. Zunehmend geraten die Muskelbewegungen aber außer Kontrolle. Beim Vollbild der Erkrankung kommt es zum plötzlichen Grimassieren und zu schleudernden Bewegungen von Armen und Beinen. Sprechen und Schlucken fallen zunehmend schwer (Dysarthrophonie und Dysphagie). Die Bewegungsunruhe verstärkt sich unter seelischer und körperlicher Belastung. Obwohl die unkontrollierten Bewegungen im Schlaf aufhören, nehmen sie bei Ermüdung eher zu. Die anfangs choreatischen Hyperkinesien wandeln sich mit zunehmenden Krankheitsverlauf in Bradykinesen, also in eine Verlangsamung der Bewegungsanläufe. Durch Erhöhung der Muskelspannung (Muskeltonus) können die Gliedmaßen minuten- bis stundenlang in einer schmerzhaften Fehlstellung verharren. An Stelle des Grimassierens tritt dann der Mutismus auf, d.h. der Patient ist nicht mehr in der Lage, durch Mimik, Gestik und Sprache zu reagieren. Das Schlucken und Atmen fällt den Patienten immer schwerer und kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Die Chorea Huntington nimmt einen über 5 bis 20 Jahre dauernden Verlauf. Sie ist zur Zeit (2005) symptomatisch zwar sehr begrenzt behandelbar, wodurch aber weder das Voranschreiten der Krankheit noch die Ursache therapiert werden kann. Ein Auftreten bei jüngeren Patienten geht meist mit einem schwereren und schnelleren Verlauf einher. Die Krankheit ist nach wie vor nicht heilbar und sie endet immer mit dem vorzeitigen Tod des betroffenen Menschen.

Weblinks

Allgemeine weiterführende Informationen: Deutsche Zentren und Hilfeangebote:


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