NeuroleptikaAls Neuroleptikum (etwa Nervendämpfungsmittel) wird ein Medikament bezeichnet, das als psychotrope Substanz eine antipsychotische, sedierende und psychomotorische Wirkung besitzt und vor allem zur Behandlung von Psychosen eingesetzt wird. Darüber hinaus werden Neuroleptika auch zur Neuroleptanalgesie, einer Sonderform der Narkose verwendet. Der Einsatz von neuroleptischen Medikamenten ist heute üblicher Standard bei der Behandlung von akuten Psychosen. Eine dauerhafte Medikation, nach Möglichkeit in geringerer Dosierung als in der Akutphase, kann erneuten Phasen akuter psychotischer Störungen vorbeugen. Neuroleptika ersetzen nicht die zusätzlich als notwendig anzusehende, ergänzende soziotherapeutische oder psychotherapeutische Behandlung. ChemieTrizyklische Neuroleptika (Phenothiazine und Thioxanthene)Seit den 1940er Jahren finden die trizyklischen Neuroleptika therapeutische Anwendung. Sie besitzen ein trizyklisches Phenothiazin- (Phenothiazine: z.B. Chlorpromazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Perazin, Promazin, Thioridazin und Triflupromazin) oder Thioxanthenringsystem (Thioxanthene: z.B. Chlorprothixen und Flupentixol). Das trizyklische Promethazin war zudem das erste therapeutisch genutzte Antihistaminikum. Strukturell ähneln trizyklische Neuroleptika weitgehend den trizyklischen Antidepressiva. Unterschiede in der pharmakologischen Wirkung zwischen beiden Substanzklassen werden mit einer voneinander abweichenden dreidimensionalen Konformation des trizyklischen Ringsystems in Verbindung gebracht.DibenzepineVon den älteren trizyklischen Neuroleptika sind die neueren trizyklischen Dibenzepine (z.B. Clozapin, Olanzapin, Quetiapin und Zotepin) abzugrenzen. Sie verfügen über ein Dibenzazepin- (Zotepin), Dibenzodiazepin- (Clozapin und Olanzapin) oder ein Dibenzothiazepin-Ringsystem (Quetiapin), welche eine von den klassischen trizyklischen Neuroleptika abweichende dreidimensionale Anordnung besitzen und somit für deren abweichende (atypische) pharmakologische Wirkung verantwortlich sind.Butyrophenone, Diphenylpiperidine und BenzamideDie Butyrophenone (z.B. Haloperidol, Melperon und Pipamperon) zeichnen sich chemisch durch einen 1-Phenyl-1-butanon-Baustein aus. Darüber hinaus finden die strukturell mit den Butyrophenon verwandten Diphenylbutylpiperidine (z.B. Fluspirilen und Pimozid) sowie die Benzamide (z.B. Sulpirid und Amisulpirid) therapeutische Anwendung.Ausgehend vom Haloperidol wurden zahlreiche neue Neuroleptika mit teilweise atypischer Wirkung entwickelt. Während beim Spiperon und Risperdon die Strukturverwandtschaft zu Butyrophenonen noch klar erkennbar ist, lässt sich Ziprasidon in keine der herkömmlichen chemischen Familien einordnen. AlkaloideDas pentazyklische Rauwolfia-Alkaloid Reserpin hat in der Therapie der Schizophrenie nur noch historische Bedeutung.PharmakologieWirkmechanismusAls gesichert gilt heute, dass der Wirkungsmechanismus von Neuroleptika auf einem Eingreifen in die synaptische Erregungsübertragung innerhalb des Gehirns beruht, wobei alle derzeitigen Neuroleptika die Übertragung des Neurotransmitters Dopamin hemmen. Zusätzlich können Neuroleptika mit Rezeptoren für Serotonin, Histamin und Noradrenalin interagieren. Neuroleptika wirken symptomatisch, das heißt, sie können psychische Krankheiten nicht im eigentlichen Sinne heilen, aber Symptome wie Halluzinationen oder Wahn können damit in der Regel beseitigt werden. Teilweise haben Neuroleptika neben der antipsychotischen auch eine sedierende (beruhigende) Wirkung. Zumindest für die herkömmlichen Neuroleptika gilt dabei: je geringer die neuroleptische Potenz (Wirksamkeit gegen akute psychotische Symptome), desto stärker ist die Sedierung. Typische NeuroleptikaHerkömmliche (typische) Neuroleptika sind antipsychotisch wirksame Arzneistoffe mit einer weitgehend einseitigen Wirkung auf die sogenannte Positiv-Symptomatik der Schizophrenie (z.B. Halluzinationen, Wahnvorstellungen). Pharmakologisch sind sie Antagonisten des Dopamins am D2-Rezeptor. Zu den typischen Neuroleptika gehören (geordnet nach abnehmender neuroleptischer Potenz und zunehmender Sedierung) u.a.:
Atypische NeuroleptikaAls "atypisch" werden Neuroleptika bezeichnet, die im Gegensatz zu typischen Neuroleptika eine erhöhte antagonistische Wirksamkeit an Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren besitzen. Damit verbunden ist eine verbesserte Wirksamkeit auf die sogenannte Negativ-Symptomatik der Schizophrenie (z.B. Gefühlsverflachung, sozialer Rückzug und Antriebsmangel). Zu den atypischen Neuroleptika zählen:
NebenwirkungenDie hier genannten Nebenwirkungen treten nicht alle zwangsläufig und auch nicht in gleicher Weise bei allen Neuroleptika auf.Bei den Nebenwirkungen sind solche vegetativer Art (hormonelle und sexuelle Störungen, Muskel- und Bewegungsstörungen, Schwangerschaftsschäden, Körpertemperaturstörungen etc.) und solche psychischer Art (sedierende Wirkungen, Depressionen, Antriebslosigkeit, emotionale Verarmung, Verwirrtheit, andere Wirkungen auf das Zentrale Nervensystem etc.) zu unterscheiden. Betroffene selbst beschreiben oft ein Gefühl, eingemauert zu sein. Eine Folge der hemmenden Wirkung der Neuroleptika auf den Überträgerstoff Dopamin ist die Störung der Steuerung von körperlichen Bewegungsabläufen, da Dopamin daran wesentlich beteiligt ist. Dabei wird unterschieden zwischen:
Die Dyskinesien treten bei unterschiedlichen Neuroleptika unterschiedlich häufig auf. Grundsätzlich ist bei herkömmlichen, hochpotenten (stark antipsychotisch wirkenden) Neuroleptika das Auftreten von Dyskinesien wahrscheinlicher. Neuere, so genannte atypische Neuroleptika, versuchen durch eine spezifische Rezeptorbindung die Gefahr einer Dyskinesie zu mindern. Dies gelingt teilweise und vor allem bei sparsamer Dosierung. Keine Dyskinesien verursacht Clozapin (Handelsnamen z.B. Leponex, Elcrit) - dies beruht offenbar auf seiner anticholinergen (gegen den Überträgerstoff Acetylcholin gerichteten) Eigenschaft. Clozapin kann allerdings gefährliche Blutbildstörungen verursachen, weshalb regelmäßige Kontrollen (Leukozyten und Thrombozyten) erforderlich sind. Ein Hersteller hat in einem Schreiben an alle zugelassen Nervenärzte 2001 bestätigt, dass einer von 12'000 Patienten durch dieses Medikament stirbt. Psychische Nebenwirkungen:
Vegetative Nebenwirkungen:
Seltene, aber unter Umständen lebensgefährliche Nebenwirkungen sind:
Neuroleptika dürfen unter anderem nicht eingenommen werden bei bestimmten Blutbildveränderungen, Hirnerkrankungen, akuten Vergiftungen, bestimmten Herzerkrankungen sowie bei schweren Leber- und Nierenschäden. Die Einnahme von Neuroleptika zusammen mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln kann zu einer gefährlichen Wirkungsverstärkung führen. Tee, Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke können die Wirkung von Neuroleptika verringern. Durch Neuroleptika kann es zu einer Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens kommen. Die Fahrtüchtigkeit kann eingeschränkt sein, und es kann zu einer Gefährdung am Arbeitsplatz (z.B. beim Bedienen von Maschinen) kommen. Auf keinen Fall sollten Neuroleptika leichtfertig oder bei Menschen mit AD(H)S Symptomen gegeben werden. Kritische Aspekte der Neuroleptika-AnwendungWie in vielen anderen medizinischen Bereichen auch, gibt es gegenüber einer Neuroleptikaverschreibung sehr kritische Stimmen, die in der Anti-Psychiatrie-Bewegung kulminieren. Einige Aspekte sollen hier kurz dargestellt werden.
Missbrauch von NeuroleptikaNeuroleptika hinterlassen meist keine sichtbaren Spuren, Menschen werden aber passiv, müde oder depressiv. Beispielsweise wurden in der UdSSR Regimekritiker mit Schizophreniediagnose und Neuroleptika ruhiggestellt, wenn die Sachlage nicht für einen Prozess reichte. Literatur
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