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Kritische Psychologie

Kritische Psychologie im weiteren Sinne bezeichnet oft einfach eine Form der Psychologie, die der etablierten Psychologie kritisch gegenüber eingestellt ist. In diesem Artikel wird die Kritische Psychologie (das große "K" ist hier zu beachten) im engeren Sinne behandelt, eine in der Folge der Studentenbewegung vor allem in Berlin entstandene Schule. Im englischen Sprachraum ist daher die Bezeichnung "Berlin school of critical psychology" verbreitet.

Einer der maßgeblichen Vertreter und Begründer ist Klaus Holzkamp. Ziel der Kritischen Psychologie ist es vor allem, die grundlegenden Kategorien und Begriffe, mit denen die Psychologie arbeitet, zu hinterfragen. Die Kritische Psychologie versteht sich außerdem als Individualwissenschaft des Marxismus und als Subjektwissenschaft.

Gegenstandsbereich

Die Kritische Psychologie unterscheidet in ihrer Begriffsbildung und ?verwendung verschiedene Gegenstandsbereiche:

  1. Psychisches und Momente des Psychischen entstehen bereits in vormenschlichen Organismen.
  2. Psychisches und seine Momente erhalten im Verlauf der Menschwerdung (Tier-Mensch-Übergangsfeld) neue Qualitäten, bzw. neue Momente entstehen.
  3. Die volle Qualität des Menschlichen ist erst dann ausgebildet, seit keine Vormenschen mehr aus biologischen Gründen (Nichtangepasstheit des Genoms) ausgestorben sind. Seitdem ist die Dominanz der biotischen Evolutionsfaktoren abgelöst worden durch die Dominanz der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprinzipien. Momente des Psychischen erhalten dadurch eine neue Qualität.
  4. Innerhalb des Menschlichen sind verschiedene Gesellschaftsformen zu unterscheiden. Die Kritische Psychologie macht Aussagen zur kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaftsform.

Handlungsfähigkeit

Alles, was Menschen tun, um ihre individuelle Existenz und Reproduktion zu sichern, muss im gesellschaftlichen Medium erfolgen, diese gesellschaftsbezogenen Tätigkeiten werden Handlungen genannt. Die Möglichkeit des Menschen, seine eigene Existenz über die Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Prozess zu reproduzieren, wird Handlungsfähigkeit genannt. Die Handlungsfähigkeit ist wesentlich, weil ihre Erhaltung und Erweiterung das wichtigste Bedürfnis von Menschen ist.

"Nicht die >Arbeit< als solche ist erstes Lebensbedürfnis, sondern >Arbeit< nur soweit, wie sie dem Einzelnen Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozeß erlaubt, ihn also >handlungsfähig< macht. Mithin ist nicht >Arbeit<, sondern >Handlungsfähigkeit< das erste menschliche Lebensbedürfnis." (Holzkamp)

Die Gesellschaft selbst muss reproduziert werden. Gesamtgesellschaftlich durchschnittlich sind dazu bestimmte Handlungen notwendig. Durch die Unmittelbarkeitsdurchbrechnung leitet sich daraus nicht direkt die Handlungsnotwendigkeit für das einzelne Individuum ab. Für den Einzelnen sind die gesamtgesellschaftlich (notwendigen) Handlungen lediglich Handlungsmöglichkeiten. Ob und wie der Einzelne handelt, wird nicht direkt und unmittelbar vorgegeben, sondern er hat spezifische Möglichkeiten.

Es gibt immer zwei Varianten der Handlungsfähigkeit:

  • restriktive Handlungsfähigkeit: individuell-unmittelbare Bedürfnisbefriedigung; Negierung der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Überschreitung der Verhältnisse
  • verallgemeinerte Handlungsfähigkeit: gemeinsame Erweiterung der gesellschaftlichen Lebensmöglichkeiten; Verfügung über die gesellschaftlichen Bedingungen der allgemeinen/individuellen Handlungsmöglichkeiten

Das kritisch-psychologische a priori besagt, dass kein Subjekt sich bewußt selber schaden kann, also sein Eigeninteresse nach Erhaltung/Erweiterung seiner Handlungsfähigkeit verletzt. Findet es sich dennoch in Situationen wieder, in denen es gezwungen ist, durch Verzicht auf Bedürfnisse, fremdbestimmte Lebensentscheidungen oder andere Faktoren sich selbst zu schaden, dann können diese Schädigungen verdrängt, also ins Unbewußte abgeschoben, oder durch entsprechende Denkformen ideologisch rationalisiert werden.

Akzeptiert das Subjekt die Zwänge jedoch nicht in dieser Form, so kann es sich zu diesen Zwängen verhalten, und ihre Überwindung anstreben. Dies bedeutet eine Erweiterung der eigenen Handlungsfähigkeit. Die kann teilweise individuell erfolgen, unter anderem durch expansives Lernen, bei dem das Subjekt durch Erschließung neuer gesellschaftlich geprägter Bedeutungen (Bsp: Lernen einer Sprache) Schranken überwindet und seinen Handlungsspielraum erweitert. Bei gesellschaftlichen Zwängen und Herrschaftsverhältnissen ist allerdings eine individuelle Bewältigung meist nicht möglich. Die Gewinnung von verallgemeinerter Handlungsfähigkeit erfordert daher organisiertes politisches Handeln (Bsp: Streik für Lohnerhöhungen) - was natürlich expansives Lernen nicht ausschließt, sondern bedingt.

Literatur

  • Klaus Holzkamp, "Grundlegung der Psychologie", ISBN 3-593-33572-7

Weblinks