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Aggression

Als Aggression (lat. aggredi: herangehen, angreifen) wird feindseliges Verhalten bezeichnet, das die eigenen Interessen unter Verletzung der Interessen des Gegenübers durchzusetzen versucht. Aggressives Verhalten ist im Tierreich weit verbreitet. Im Zusammenhang mit menschlichem Verhalten äußert sich Aggression in verbalen oder tätlichen Angriffen gegenüber Personen, Personengruppen und Sachen.

Völkerrechtlich bezeichnet Aggression (im Gegensatz zur Verteidigung, die ebenfalls aggressives Verhalten darstellt) den erstmaligen Einsatz von Gewalt in einer Auseinandersetzung von Staaten, Völkern und Volksgruppen.

Formen und Ziele von Aggression

Unter Aggression versteht man die beabsichtigte physische und psychische Schädigung eines Lebewesens (Mensch oder Tier) oder die Beschädigung eines Gegenstandes. Oftmals mit dem Zusatz, das geschädigte Lebewesen sei motiviert, die Behandlung zu vermeiden. Die verschiedenen Aggressionstheorien lassen sich unterteilen in Theorien, die aggressives Verhalten auf bestimmte Faktoren zurückführen.

Formen der Aggression sind:

  1. physische Form: Schlagen, Töten, körperliches Bedrohen
  2. verbale Form: Schimpfen, Spotten, mimische Ausdrucksweisen
  3. emotionale Form: Ärger, Wut, Groll, Hass

In vielen Fällen ist aggressives Verhalten ein Versuch, ein bestimmtes Problem zu lösen. Aggressives Verhalten wird dann "instrumentell" eingesetzt, das heißt, es wird versucht, auf diese Weise bestimmte Ziele zu erreichen.

"Typische" Aggressionsziele sind zum Beispiel:

  1. das Durchsetzen eigener Wünsche und Interessen, die mit Wünschen anderer im Konflikt stehen
  2. Beachtung durch andere finden
  3. Reaktion auf Aggression anderer (Abwehr)
  4. Vergeltung erlittener Aggressionsakte

Was verursachte Aggression: die Gene?

Wird aggressives Verhalten als eine zwingende Folge unserer Gene aufgefasst, bedeutet das, dass ein Mensch ? egal in welcher Umwelt er lebt oder welche Erfahrungen er macht oder gemacht hat ? auf jeden Fall früher oder später aggressiv werden wird. Sigmund Freud erfand den Todestrieb (Destrudo) als Teilbereich des ES, der nach außen abgeleitet werden muss, damit es nicht zur Selbstzerstörung oder zu Krankheiten (psychosomatische Erkrankungen) kommt. Konrad Lorenz glaubte aufgrund von Tierbeobachtungen, auch dem Menschen einen Instinkt für Aggression zuschreiben zu können, wobei diesem durch "negative Selektion" sogar die bei Tieren angeblich vorhandene Tötungshemmung (vergl.hierzu aber: Beißhemmung) abhanden gekommen sei.

Während Konrad Lorenz Aggressionen als eine Folge stetig sprudelnder Triebenergien deutete, betonen andere Verhaltensbiologen beim Menschen eher die individuellen Motive für aggressives Verhalten: Furcht, Frustration, Gehorsam, kalte Berechnung, soziale Exploration ("Mal sehen, wie weit ich gehen kann!"), Spielverhalten u. a. Je nach vorherrschendem Motiv ist dann der zweckmäßige Umgang mit dem Aggressor ein jeweils anderer.

Diesen Theorien gemeinsam ist die Vorstellung, dass sich im Menschen aggressive Impulse aufstauen, sodass er zunehmend gleichsam unter Druck gerät; zuletzt reichen daher angeblich selbst nichtigste Anlässe aus, um die angestaute Aggressivität explosionsartig zu entladen. Um solche unkontrollierten Entladungen zu vermeiden, sollte man diesen Theorien zufolge rechtzeitig seine Aggressionen abbauen, indem man - Lorenz zufolge - z. B. Sport betreibt, gegen einen Sandsack boxt oder sich in Arbeit stürzt (Sublimierung nach Freud).

Ferner geht z. B. die "Berliner Schule" um den Psychoanalytiker Günter Ammon davon aus, dass die Aggression eine sog. "Ich-Funktion" oder ? ein anderer Terminus ? ein "Ich-Potential" ist. Eine mangelhafte Ausbildung der Aggression kann z. B. darin resultieren, dass man Dinge nicht oder eben nur unzureichend aggressiv angeht.

Was verursachte Aggression: die Umwelt?

Im Gegensatz zur Theorie der angeborenen Zwangsläufigkeit des Auftretens von Aggression meinen die "Umwelttheoretiker", dass aggressives Verhalten erlernt (lerntheoretische Erklärung: Wilfried Belschner; Imitationslernen: Albert Bandura) oder erworben wird (Frustrations-Aggressions-Hypothese von Dollard und Miller).

Lerntheoretiker wie Belschner gehen davon aus, dass jede Verstärkung einer Handlung (vergl. Konditionierung]) deren Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht; aggressives Verhalten wird von ihnen also dadurch erklärt, dass man mit seiner Aggression erfolgreich war (ein Ziel erreicht oder Anerkennung erhalten hat). Erst wenn diese Bekräftigung (dieser Verstärker) ausbleibt oder das unerwünschte Verhalten bestraft wird, kommt es (wieder) zum Abbau aggressiven Verhaltens. Damit wird ein aggressionsfreies Verhalten grundsätzlich für möglich erachtet. Bandura erklärt Aggression darüber hinaus durch das Imitationslernen (soziales Lernen, Modelllernen, Lernen am Modell): Man sieht, wie ein anderer ? z. B. auch der Held im Film ? mit aggressivem Verhalten erfolgreich war und ahmt ihn nach, weil man einen ähnlichen Erfolg erwartet.

Nach der Frustrations-Aggressions-Hypothese führt jede Versagung (Frustration) zur Aggression. Viele kleinere Frustrationen können sich ansammeln, bis die letzte ?das Fass zum Überlaufen? bringt und es zum aggressiven Ausbruch kommt. Eine Verminderung von Frustrationen würde demnach zu weniger Aggressionen führen, da der Abbau dieser reinigend (kathartisch) wirken soll. Da ein völlig frustrationsfreie Umwelt aber nicht denkbar ist, wird mit diesem Ansatz zur Deutung von aggressivem Verhalten zugleich auch die Möglichkeit ein völlig aggressionsfreien Gesellschaft ausgeschlossen.

Was verursachte Aggression: Anlagen und Umwelt gemeinsam?

Erich Fromm versucht in seiner Charaktertheorie eine Kombination der bisherigen Überlegungen. Als Anlage-Faktor geht er von menschlichen Grundbedürfnissen (Sicherheit, Stimulation, Erfolg, Freiheit) aus, die bei der Sozialisation eines Menschen mehr oder minder gut erfüllt werden, wodurch sein individueller Charakter geprägt wird. Dieser individuelle Charakter muss sich mit der ihn umgebenden Gesellschaft (dem sozialen Charakter) auseinandersetzen. Ist der individuelle Charakter genügend stark ausgeprägt, kann er Frustrationen besser verkraften oder in positive Aktionen umsetzen, werden aggressive Vorbilder nicht als solche akzeptiert oder Erfolge anders erreicht.

Ist der individuelle Charakter aber schwach ? die Grundbedürfnisse wurden durch Erziehungsfehler nicht oder nur schlecht befriedigt, reagiert der Mensch in einem aggressiven Umfeld ebenfalls aggressiv. So hat auch Kurt Lewin nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen autoritärem Führungsstil und gesteigerter Aggression bei Wegfall der Kontrolle gibt und auch das Milgram-Experiment kann als Beleg für diese Theorie bewertet werden: Der Mensch (mit schwachem individuellem Charakter) orientiert sich an den Anordnungen durch eine Autorität. Die vermeintlich verlagerte Verantwortung erlaubt anscheinend selbst extreme sadistische Exzesse.

Der österreichisch - amerikanische Psychiater, Psychoanalytiker und Aggressionsforscher Friedrich Hacker machte sich die Thesen von Konrad Lorenz zur angeborenen, triebhaften Natur der Aggression zu eigen, versuchte aber - mit einer Art Quadratur des Kreises - diese Deutungen von Verhaltensweisen („biologische Programmierung”) zu verbinden mit behavioristischen Thesen („sozial erlerntes Verhalten”).

Aggression aus Sicht der Ökologie

Von Ökologen wird Aggression hingegen als Bestandteil von "Interferenzen" gedeutet. Als solche Interferenzen gelten Schwankungen der Populationsdichte, die durch sozialen Stress bei zu hohen Populationsdichten (siehe Populationsdynamik) entstehen. Eine hohe Populationsdichte erzeugt einen höheren Druck durch Intraspezifische Konkurrenz. Die Aggression gegen Artgenossen dient häufig der Vertreibung eines Individuums oder von Gruppen in ein anderes Revier, um so die Populationsdichte in einem Habitat auf niedrigem Niveau, und damit das Nahrungsangebot für das Individuum hoch halten zu können. Das Verhältnis von Aggression zu sozialem Verhalten ist häufig vom Nahrungsangebot abhängig (z. B. bei Spinnentieren). Bei genügendem Nahrungsangebot oder zum Schutz vor Fressfeinden erhöht sich die soziale Toleranz. Viele Tiere zeigen aggressives Verhalten gegen Artgenossen auch als Mittel zum Schutz der Nachkommen.

Diese Form der innerartlichen Aggression ist zu unterscheiden von der zwischenartlichen Aggression, die zum Beispiel jedem Beutegreifer bei der Nahrungsbeschaffung zu eigen ist.

Die Sicht der Rechtswissenschaften

Aggressionen werden strafrechtlich erst relevant, wenn sie selbst ein geschütztes Rechtsgut verletzen. In der Regel ist dies bei Körperverletzungen der Fall. Aggressionen sind straflos, wenn sie durch Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder Notstand o. ä. gerechtfertigt werden.

Völkerrechtlich hat der Begriff der Aggression auch Einzug in die Charta der Vereinten Nationen erhalten: Aggressionen sind Eingriffe in die Souveränität eines Staates, die nicht gerechtfertigt sind. Dies können der Angriffskrieg sein, aber auch Grenzverletzungen und Drohungen mit Gewalt. Wird völkerrechtliches Unrecht begangen, so kann sich das angegriffene Völkerrechtssubjekt dagegen wehren (jedoch sind Präventivkriege nicht zulässig). Maßnahmen sind Retorsionen (völkerrechtlich gestattet) oder Repressalien (völkerrechtswidrig). Beide sind völkerrechtlich bei Aggressionen zulässig.

Literatur

  • Psychologie
    • A. Bandura: "Lernen am Modell" Stuttgart 1976
    • J. Dollard, N. E. Miller: "Personality and psychotherapy" New York 1950
    • E. Fromm: "Anatomie der menschlichen Destruktivität" Reinbek 1977
    • F. Hacker: "Aggression. Die Brutalisierung der modernen Welt" Wien 1971 (Molden Verlag)
    • K. Lorenz: "Das sogenannte Böse" München 1974
    • S. Milgram: "A behavioral study of obedience" Journal of abnormal and social psychology, 67, S. 371-378
    • Hans-Peter Nolting: "Lernfall: Aggression", März 1997, Rowohlt Tb.

  • Völkerrecht
    • Hacker, Friedrich: "Versagt der Mensch oder die Gesellschaft? Probleme der modernen Kriminalpsychologie" Wien 1964 (Europa Verlag)
    • Martin Hummrich: "Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression" Baden-Baden 2001

Siehe auch

Triebverzicht, Instinktverhalten

Weblinks


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