Home > Psychologie > W/X/Y/Z > Zwölf-Schritte-Programm Impressum

Zwölf-Schritte-Programm

Das 12-Schritte-Programm ist ursprünglich eine Methode zur Erlangung und zum Erhalt der Nüchternheit (Abstinenz) für Alkoholiker, entwickelt von den Anonymen Alkoholikern. Ab den 1950er Jahren gab es Bestrebungen, das Programm auf andere Problemfelder zu erweitern. Es entstanden neue Gruppen, die dieses Programm für ihre Anliegen modifizierten. Deshalb steht das 12-Schritte-Programm mittlerweile für eine bestimmte Form von Selbsthilfe.

Die Zwölf Schritte der Anonymen Alkoholiker:

  1. Schritt: Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind - und unser Leben nicht mehr meistern konnten.
  2. Schritt: Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.
  3. Schritt: Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes - wie wir Ihn verstanden - anzuvertrauen.
  4. Schritt: Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
  5. Schritt: Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.
  6. Schritt: Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.
  7. Schritt: Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.
  8. Schritt: Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten und wurden willig, ihn bei allen wieder gutzumachen.
  9. Schritt: Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut - wo immer es möglich war -, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.
  10. Schritt: Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu.
  11. Schritt: Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott - wie wir Ihn verstanden - zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.
  12. Schritt: Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.

Merkmale/Charakteristika von 12-Schritte-Gruppen

Die im Folgenden erläuterten Merkmale müssen nicht zwangsläufig auf alle Gruppen zutreffen. Kleinigkeiten können den jeweiligen Gruppenthema angepasst sein, z.B. die Definition und der Umgang mit Nüchternheit bzw. Abstinenz. Die Besonderheiten der einzelnen Gruppen und ihre Themenschwerpunkte sind in dem Artikel „Liste der 12-Schritte-Gruppen” zu finden.

Anonymitätsprinzip

Allen Gruppen ist eigen, dass sie das Anonymitätsprinzip verwenden. Das schützt die Betroffenen, so dass sie ihr Problem offenbaren können und schützt gleichzeitig die Gruppe vor möglichen Entgleisungen von Mitgliedern, die dem Ansehen der Gruppen in der Öffentlichkeit schaden könnten. Es werden keine Mitgliederverzeichnisse oder Anwesenheitslisten geführt, weder für die Gruppe noch für irgend jemand anderen, somit ist die Anonymität gesichert.

Unprofessionalität (im positiven Sinne)

Ein weiteres Merkmal ist, dass es kein Therapeuten-Klienten-Verhältnis gibt, sondern dass Betroffene mit ihrer Erfahrung (mit der Arbeit in den zwölf Schritten) anderen Betroffenen helfen. Die gemeinsame Basis der 12-Schritte-Gruppen (oder auch A-Gruppen, hierbei steht A für „Anonymität”) für organisatorische Belange sind die 12 Traditionen.

„Meetings”

Regelmäßig stattfindende Treffen (so genannte „Meetings”) bilden das wichtigste Element. Hierzu gibt es ein separaten ausführlichen Artikel („Meeting”).

Finanzierung

Die Gruppen finanzieren sich ausschließlich über die Spenden ihrer Mitglieder. Es werden keine Gelder von Außen angenommen, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten.

Teilnahmebedingungen

Grundsätzlich stehen jedem - unabhängig von Geschlecht, Alter, Nationalität, Sprache, Glaubenszugehörigkeit oder Rasse - die Meetings offen. Es gibt bei Bedarf auch getrennte Frauen- und Männer-Meetings (und/bzw. Lesben- und Schwulen-Meetings).

Die Mitgliedschaft ist nicht an Bedingungen wie etwa Abstinenz oder dem Arbeiten an den 12 Schritten geknüpft. Jeder, der herausfinden will, ob er ein Problem dem Gruppenschwerpunkt entsprechend hat, sowie Betroffene, z.B. Süchtige oder Abhängige bei NA, können an Meetings teilnehmen, so oft er will. Die einzige Bedingung für die Gruppenmitgliedschaft ist der Wunsch, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und zu genesen.

Die Mitglieder leben außerhalb der Gemeinschaft so, wie sie es möchten. Sie besuchen die Treffen nach ihrem eigenen Ermessen.

Das Programm

Das Herzstück des Genesungsprogramms der 12-Schritte-Gruppen ist eine Reihe von persönlichen Aktivitäten, bekannt als das 12-Schritte-Programm. Das Arbeiten mit den Schritten ist eine Empfehlung und keine Bedingung für die Mitgliedschaft.

Sie beinhalten:

  • das Eingeständnis eines Problems,
  • die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen,
  • ehrliche Selbsteinschätzung,
  • vertrauensvolle Selbstoffenbarung,
  • Wiedergutmachung anzustreben, wo Schaden angerichtet wurde und
  • die Arbeit mit Süchtigen, die genesen wollen.

Spiritualität

12-Schritte-Gruppen sind für Atheisten ebenso offen wie für religiöse Menschen. Die 12-Schritte-Gruppen sind nicht religiös und ermutigen seine Mitglieder, ein eigenes Verständnis eines spirituellen Erwachens zu entwickeln, sei es religiös oder atheistisch bzw. nicht religiös. Mittelpunkt des Programms ist das spirituelle Erwachen mit Betonung auf seinen praktischen Nutzen im Alltag und nicht auf seine philosophische oder metaphysische Bedeutung. Das Programm kann somit über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg angewendet werden.

(Organisations-)Struktur

Jede Gruppe ist autonom, außer in Angelegenheiten, die die Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Die Gruppensprecher werden von den Gruppenmitgliedern gewählt und haben keine Entscheidungsbefugnisse. Ihre Aufgabe ist lediglich, den Willen der Gruppe nach außen zu vertreten. Fragen, welche über den organisatorischen Rahmen der Gruppenangelegenheiten hinausgehen, werden in so genannten Intergruppen koordiniert. Hier treffen sich die Sprecher bzw. Vertreter der Gruppen zwecks Diskussion und Austausch von Informationen. Solche Intergruppen bestehen auf Stadt-, Bezirks-, Staats-, nationaler und internationaler Ebene (trifft nicht für alle A-Gruppen zu, da manche zu klein sind. Dort ist die Struktur schlanker). Es wird immer versucht, Beschlüsse im Konsens zu fassen, und zwar durch einen umfangreichen Konsensfindungsprozess. Nur in Ausnahmefällen werden Mehrheitsbeschlüsse gefasst. Daher können manche Konsensfindungsprozesse vom ersten Vorschlag bis zum endgültigen Beschluss mehrere Jahre dauern.

Kritik

Das Konzept, auf dem der Erfolg von 12-Schritte-Gruppen im Ganzen begründet ist, dass nur Betroffene, Angehörige und Interessierte in den Gruppen zu finden sind, kann sich in seltenen Einzelfällen als Nachteil erweisen. In Gruppen mit Mitgliedern, die ohne Anwesenheit von erfahrenen Gruppenmitgliedern erst sehr kurz mit dem 12-Schritte-Programm arbeiten, kann es besonders gegenüber Neuankömmlingen zu sehr eigenwilligen und auch falschen Auslegungen der 12 Traditionen kommen, so dass dann ein falscher Eindruck vermittelt werden kann oder auch sogar persönliche Kränkungen möglich sind. Daher gibt es auf vielen Meetings die Empfehlung, sich unbedingt mehrere Meetings - auch an unterschiedlichen Orten - anzuschauen, da die teilnehmenden Mitglieder für die Gesamtatmosphäre verantwortlich sind, so dass auf unterschiedlichen Meeetings oft eine sehr unterschiedliche Stimmung anzutreffen ist.

Die Ausrichtung der 12 Schritte auf einen Gott wird von Menschen, die nicht an die Existenz von Göttern glauben, oft abgelehnt. Diese Ablehnung überträgt sich dann gegebenenfalls auch auf die Einstufung der Gruppe als zur Lösung der eigenen Probleme nicht geeignet. Kritiker fordern daher auch ein 12-Schritte-Programm ohne religiöse Ausrichtung ein.

Die 12-Schritte-Gruppen bestehen aus vielen verschiedenen Menschen, so dass auch hier mit Konflikten, wie sie zwischen Menschen einfach vorkommen, zu rechnen ist. Ein neues Mitglied sollte also nicht nach einer schlechten Erfahrung die Gruppe bzw. das Konzept als Ganzes verdammen, sondern schauen, was an dem Programm gut und hilfreich ist und möglichst versuchen, verschiedene Meetings zu besuchen oder einfach insgesamt mehrere Anläufe nehmen, um sich ein wirklichen Bild machen zu können.

12-Schritte-Gruppen sind keine Sekten

Folgende Merkmale verdeutlichen, das es sich bei 12-Schritte-Gruppen nicht um eine Sekte handelt:
  • Viele Ärzte sowie viele Drogenberatungsstellen und Therapieeinrichtungen, egal ob öffentlich oder von karitativen Einrichtungen finanziert, empfehlen NA, AA sowie andere 12-Schritte-Gruppen.
  • 12-Schritte-Gruppen führen keine Mitgliederlisten, niemand wird nach der Identität gefragt, zu keinem Zeitpunkt der Mitgliedschaft. Private Kontakte der Mitglieder untereinander sind jederzeit auf freiwilliger Basis möglich, aber keine Bedingung. Wer will, kann später kommen und früher gehen.
  • Viele Kirchengemeinden vermieten ihre Räume an 12-Schritte-Gruppen, das würden sie nicht machen, wenn sie es mit einer Sekte zu tun hätten.
  • 12-Schritte-Gruppen selbst geben nur unverbindliche Empfehlungen aus, die höhere Macht bzw. der eigene „Gott” ist von jedem Mitglied frei wählbar, Sekten haben im Gegensatz dazu ein festes Weltbild. Es erfolgt kein „Umerziehungversuch” hin zu einem „besseren Menschen”, was typisch für Sekten ist, die meist ein sehr elitäres Weltbild vermitteln. Eine „Gehirnwäsche”, also das gezielte Manipulieren von Menschen, um sie zur „richtigen Einsicht” zu bringen, gibt es bei 12-Schritte-Gruppen nicht. Das Programm beruht einzig auf freiwilliger Teilnahme und Bereitschaft bzw. dem Willen, die Vorschläge umzusetzen, niemand wird kontrolliert, was er in seinem Leben anstellt, niemand wird ausgefragt.
  • 12-Schritte-Gruppen sind demokratisch organisiert, jeder kann an Abstimmungen teilnehmen, es bestehen keine autoritären Herrschaftsstrukturen.

Häufig wirken das Begrüßungs- sowie das Abschiedsritual bei 12-Schritte-Gruppen auf Neuankömmlinge ungewöhnlich, der spirituelle Teil kann den Verdacht wecken, das es sich um eine Sekte handelt. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Spiritualität in Deutschland nicht sehr verbreitet ist, die eigentlich sehr kurzen Rituale also zunächst sehr neuartig und auch seltsam auf Menschen wirken, die einen solchen Umgang nicht kennen.

Weitere 12-Schritte-Gruppen (in Deutschland)

Hauptartikel:Liste der 12-Schritte-Gruppen

Weblinks