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Glykoside

Ein Glykosid (R-O-Z) ist eine Verbindung bei der ein Alkohol (R-OH) über eine glycosidische Bindung an einen Zuckerteil (Z) gebunden ist. OR kann nach IUPAC-Nomenklatur sowohl ein anderer Zucker als auch eine beliebige andere Hydroxylverbindung (Alkohol) sein, allerdings kein Acylrest. Liegt statt eines Acetals ein Thioacetal R-S-Z oder Selenoacetal R-Se-Z vor, so spricht man von einem Thioglykosid bzw. Selenoglykosid. N-Glykosyl-Verbindungen R-NR´-Z sollen besser als Glykosylamine bezeichnet werden. C-Glykosylverbindungen R-CR´R´´-Z sollen als Glycosylderivate bezeichnet werden. Der Zuckerteil Z wird als Glykon bezeichnet. OR wird als Aglycon bezeichnet, wenn es sich um einen Nichtzucker handelt.

Die glykosidische Bindung

Bei der glykosidischen Bindung liegt der Aldehyd der Aldosen (z. B. Glucose) oder die Ketofunktion der Ketosen (z. B. Fructose) als zyklisches Vollacetal vor. Ein Acetal ist das Kondensationsprodukt aus einem Aldehyd oder Keton und einem (Halbacetal) oder zwei Alkoholen (Vollacetal). Vollacetale sind stabil gegen basische und neutrale bis schwach saure wäßrige Lösungen, hydrolysieren jedoch in Gegenwart starker Säuren. Kohlenhydrate (Zucker) sind Polyhydroxyverbindungen, d. h. sie haben mehrere Alkoholfunktionen, und liegen daher meist als energetisch sehr günstiges zyklisches Halbacetal vor, reagieren also mit sich selbst unter Ringbildung. Das ehemalige Carbonylsauerstoffatom bildet eine exozyclische OH-Gruppe, der Sauerstoff der Hydroxylgruppe bildet den endozyklischen Ringsauerstoff. Da die Halbacetalform der Aldosen in wäßriger Lösung mit der offenkettigen aldehydischen Form im Gleichgewicht liegt, reduziert eine Glukose-Lösung Fehlingsche Lösung. Zucker bilden mit den verschiedensten Alkoholen HOR ein zyklisches Vollacetal, bei dem statt einer exozyklischen Hydroxylgruppe ein exozyklischer Substituent OR vorliegt. Ein solches Vollacetal ist in wäßriger Lösung stabil und reduziert Fehlingsche Lösung daher nicht, es sei denn das Aglycon selbst wirkt reduzierend, z. B. wenn es sich widerum um einen Zucker handelt. In stark saurer wäßriger Lösung werden Glykoside zu einem oder mehreren Monosaccharid(en) und dem Alkohol gespalten. Das klassische Nachweis-Kriterium für ein Glykosid ist daher die Beständigkeit gegen Fehlingsche Lösung ohne vorherige Hydrolyse und Reduktion von Fehlingscher Lösung nach saurer Hydrolyse. Bei Vorliegen eines reduzierenden Aglycons, z. B. einem weiteren Zucker, greift dieses Kriterium allerdings nicht. Da erste Untersuchungen pharmazeutischer pflanzlicher Formulierungen (Formulierung = Darreichungsform) mit diesen klassischen Untersuchungsmethoden erfolgten, werden in der Pharmazie die unten angegebenen pflanzlichen Wirkstoffe als Glykoside bezeichnet, obwohl die Glykoside eine weit über diese kleine Gruppe hinausgehende Bedeutung haben.

Stereochemie

Durch die Bildung des glykosidischen Vollacetals wird die prochirale Carbonylfunktion chiral, d. h. es bildet sich ein neues Stereozentrum, das sogenannte anomere Kohlenstoffatom oder anomere Zentrum. Die beiden resultierenden Diastereomere (Anomere) werden als alpha- bzw. beta-Glykosid bezeichnet.

Bildet der Zucker einen Fünfring, so handelt es sich um ein Glykofuranosid. Bildet er einen Sechsring, so spricht man von einem Glykopyranosid.

Bedeutung

Was die Peptid-Bindung bei den Aminosäuren ist, ist die glycosidische Bindung bei den Kohlenhydraten, da sie durch eine leicht reversible Kondensationsreaktion eine stabile Verknüpfung zu anderen Zuckern oder den verschiedensten Alkoholen ermöglicht. Dadurch ergibt sich für die Kohlenhydrate, die mit Abstand den größten Teil der Biomasse ausmachen, eine gewaltige Strukturvielfalt.

Enzyme

In biologischen Systemen werden Glykoside durch Glykosidasen zum freien Zucker und dem aglykonischen Alkohol hydrolysiert. Diese Glykosidasen sind mehr oder weniger spezifisch für bestimmte Zucker und eine der anomeren Formen und Ringgrößen. So kann eine alpha-Mannopyranose-spezifische Glykosidase, eine alpha-Mannosidase, kein Galaktosid hydrolysieren. Eine alpha-Galaktosidase kann aber nicht nur alpha-Galaktopyranoside spalten, sondern manchmal auch ähnliche Glykoside, wie zum Beispiel beta-Arabinopyranoside. Glykosyltransferasen hingegen sind hochspezifische Enzyme, die die Übertragung aktivierter Kohlenhydrate (UDP-Zucker) auf einen Alkohol unter Ausbildung einer glykosidischen Bindung katalysieren.

Biologie und Pharmazie

Glykoside sind in der Natur weit verbreitet. Einige spezielle Glykoside sind sekundäre Pflanzenstoffe (Anmerkung: eigentlich heißt es sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe oder generell Sekundärmetabolite). Dabei klassifiziert man Glykoside anhand der verschiedenen möglichen Aglykone. Die Synthese von Glykosiden ermöglicht es der Pflanze, toxische Stoffe in nicht-toxischer Form zu speichern. Dabei werden Glykoside z. B. in der Vakuole gespeichert, was der Kompartimentierung von den Glykosiden und einem entsprechenden Enzymsystem dient,welches in der Lage ist, das Glykosid hydrolytisch zu spalten.

In der Heilkunst sind Glykoside in ihrer Wirkung sehr unterschiedlich. Sie werden je nach Aglycon in folgende Untergruppen aufgeteilt:

Literatur

Jochen Lehmann, Kohlenhydrate: Chemie und Biologie, 2. neu bearb. und erw. Aufl., Stuttgart; New York: Thieme, 1996.

Weblinks