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Epilepsie

Unter Epilepsie (griechisch ???????? = Anfall) versteht man eine wiederholt auftretende anfallsartige elektrische Entladung in größeren Bereichen des Gehirns, die zum Teil verbunden ist mit einem vorübergehenden Ausfall von Hirnfunktionen. Dies ist auf eine Störung des Elektrolytgewichts der Transmittersubstanzen an den Synapsenenden zurückzuführen.

Einzeln auftretende Krampfanfälle können auch bei Nicht-Epileptikern auftreten, beispielsweise als Folge von Stress oder Erschöpfung.

Anfallsformen

Generell werden zwei Anfallsformen unterschieden:

  • Grand Mal (franz. großes Übel)
  • Petit Mal (franz. kleines Übel)

Grand Mal

Der Grand-Mal-Anfall ist die bekannteste Form des epileptischen Anfalls. Er geht einher mit einem Bewusstseinsverlust und einem Sturz. Er dauert meist wenige Minuten, während denen der Körper des Epileptikers von schweren Muskelkonvulsionen geschüttelt wird. Dies ist mit einem völligen Kontrollverlust über den eigenen Körper verbunden. Mit einem Grand-Mal kann ein Zungenbiss verbunden sein.

Anschließend findet sich meist der sogenannte Terminalschlaf, d.h. der Betroffene schläft tief und ist kaum erweckbar. Bei leichteren Anfällen kann der Betroffene nach dem Anfall erwachen, ist dann jedoch meist nicht voll orientiert, schläfrig und leidet unter einer Bewusstseinslücke (anterograde Amnesie).

Petit Mal

Der Petit-Mal-Anfall unterscheidet sich vom Grand-Mal-Anfall vor allem durch seine Dauer. Meist dauert er nur Sekunden oder gar Bruchteile davon und betrifft auch meistens nur einzelne Körperpartien. Die Behandlung kann durch Valproinsäure erfolgen. Als Notfallmedikament kann auch Clonazepam verwendet werden. Vom Petit-Mal-Anfall gibt es zahlreiche Formen und Zwischenformen. Obwohl ein Petit-Mal-Anfall nur sehr kurz dauert, kann es zu unangenehmen Stürzen oder Verletzungen kommen.

Propulsives Petit mal

Unter Propulsives Petit mal (Blitz-Nick-Salaam-Anfall / BNS-Anfall, West-Syndrom) versteht man eine bestimmte Form von Epilepsie, die bei Neugeborenen meist im Zeitraum des dritten bis zwölften Monats nach der Geburt erstmals auftritt. Die Anfälle treten als mehrere Krämpfe in Serien auf, wobei die Muskulatur besonders des Halses Propulsiv- und Beugebewegungen ausführt. Das EEG zeigt Burst-Supression-Muster. Ursache sind meist Schäden des ZNS und / oder des Gehirns. Die Anfälle werden häufig mit Schreckreaktionen des Kindes oder mit Bauchschmerzen verwechselt. Die medikamentöse Einstellung ist vielfach schwierig, die Medikamente gehen zum Teil mit starken, mitunter sogar lebensbedrohlichen Nebenwirkungen einher. Die Hälfte der betroffenen Kindern entwickelt im weiteren Lebensverlauf eine andere Form der Epilepsie; zum Teil geht das West-Syndrom in das Lennox-Gastaut-Syndrom über.

Retropulsives Petit mal (= Lennox-Gastaut-Syndrom)

Das Lennox-Gastaut-Syndrom ist eine bestimmte Form von Epilepsie, die bei Kindern meist zwischen dem zweiten und achten Lebensjahr auftritt. Bei den Anfällen kommt es oft zu einem plötzlichen Hinstürzen verbunden mit Nickbewegungen und anderen Erscheinungen. Die Kinder müssen deshalb einen Sturzhelm tragen. Häufig sind hirnorganische Schäden die Ursache der Anfälle.

Impulsives Petit mal

Impulsives Petit mal ist eine bestimmte Form von Epilepsie, die meist erstmalig im Jugendalter auftritt. Sie zeigt sich durch plötzliche, unwillkürliche Schleuderbewegungen, besonders morgens. Typisch ist z.B. das Fallenlassen der Kaffeetasse oder der Zahnbürste.

Temporallappenepilepsie (komplex-fokale Anfälle) / Psychomotorische Anfälle

Als Temporallappenepilepsie werden vom Temporallappen (auch Schläfenlappen) ausgehende Anfälle bezeichnet. Da hierbei oft komplex-fokale Anfälle auftreten, werden auch diese oft generell als Temporallappenepilepsie bezeichnet.

Absence

Eine Absence ist eine Art Epileptischer Anfall (petit mal) mit kurzer Bewusstseinsstörung und anschließender Amnesie.

Der Anfall
Die Absence dauert meistens nur Sekunden, sie beginnt plötzlich ohne Vorzeichen (oft bei psychischer Anspannung) und endet ebenso plötzlich. Sie kann sich viele Male am Tag wiederholen. Der Betreffende bemerkt selbst oft nichts oder unterschätzt die Zeitspanne seiner Abwesenheit, nur anderen fällt auf, dass er z.B. nicht auf Ansprache reagiert. Gleichzeitig können leichte motorische Begleitsymptome wie Lidzucken, Änderungen des Muskeltonus oder Automatismen und vegetative Phänomene auftreten. Die Betreffenden fallen aber nicht hin.
Auftreten
Absencen beginnen meist im Kindesalter. Oft handelt es sich um lebhafte und aufgeweckte Kinder, die durch scheinbare Konzentrationsstörungen in der Schule auffallen. Das EEG zeigt Spikes (3/s) und Waves, die meist auch im Zeitraum zwischen den Anfällen festgestellt werden können.
Extrapolation von Wahrnehmungen während einer Absence
Bei einigen Absencen, die wenige Sekunden oder sogar nur Bruchteile von Sekunden dauern und keine Begleitsymptome aufweisen, ist es möglich, dass gerade ausgeführte Handlungen fortgeführt werden, obgleich die betreffende Person ihre Umwelt nicht mehr wahrnimmt.

Trotz der fehlenden Umweltwahrnehmungen wird die Absence während ihrer Dauer nicht als "leere Zeit" erlebt. Auch schläft die betreffende Person nicht, so dass sie keine Zeit erlebt. Während der Absence extrapoliert sie neue Wahrnehmungen aus den zuletzt gemachten Sinneseindrücken. Die extrapolierten Wahrnehmungen unterscheiden sich nicht von Sinneswahrnehmungen. Wenn die Handlungen automatisiert sind und in einer gut kalkulierbaren Umwelt stattfinden, besteht kaum eine Möglichkeit, eine Absence zu empfinden oder zu beobachten (ist es dann eine Absence?). Nur, wenn sich nach einer Absence herausstellt, dass der Anschluss an die nun wieder aktuellen Sinneswahrnehmungen nicht funktioniert, wird die Absence bemerkt.

Beispiele für eine solche Extrapolation sind:

  • Eine Person geht zu einem Tisch, um sich einen Schreiber zu holen. Sie macht kehrt und stellt überrascht fest, dass sie den Schreiber gar nicht in der Hand hält, sondern sich nur vorgestellt hatte, den Schreiber zu ergreifen.
  • Eine Person A sieht auf der Straße eine bekannte Person B. B winkt freudig, was A nicht erwartet hätte und deshalb nicht extrapoliert. Es entsteht der Eindruck eines Films, in dem die Einzelbilder nicht aneinander passen.
  • Eine Person geht einen vertrauten Gang entlang, über den sich in ungewohnter Weise in einigen Schritten Entfernung ein Telefonkabel schlängelt. Plötzlich bildet sich die Person ein, das Kabel verschwinde. Dann stolpert die Person über das Kabel. Das Kabel wurde als Störung aus dem vertrauten Weg herausgerechnet.

Aura

Auren sind Ereignisse oder Zustände, die einen Grand Mal ankündigen, aber auch isoliert auftreten können.
Verlauf 1
Ein typischer Aura-Verlauf ist folgender:

Physische Symptome: Es beginnt ca. 1 min vor dem Grand Mal mit einer plötzlichen Änderung in der Hörwahrnehmung, ungefähr so, als ob man Wasser im Gehörgang hat. Danach setzt eine zunehmende Übelkeit und eine starke Atemnot ein. Diese beiden Symptome enden in einem Schwindelgefühl, dann beginnt die Bewusstlosigkeit. Eine Aura kann aber auch ohne nachfolgendes Grand Mal enden.

Psychische Wirkung: Kommt es außerhalb der eigenen Wohnung, z.B. auf der Straße zu einer Aura, so bewirkt dies je nach "Erfahrung" des Betroffenen, eine u.U. sehr große Panik. Zur Vermeidung eines "öffentlichen Showdowns" mit (unnötigem) Notarzteinsatz und wegen der Stigmatisierung besteht der Wunsch, einen Ort aufzusuchen, an dem der Betroffene unbeobachtet ist. Findet sich ein solcher Platz nicht, was meistens der Fall ist, so wird ein erfahrener Epileptiker sich an der Stelle, an der er sich gerade befindet, flach auf den Boden legen, um so einem Sturz vorzubeugen. Insgesamt ist eine Aura meistens die einzige Möglichkeit einer Vorwarnung.

Verlauf 2
Ein bei Temporallappenepilepsie beobachteter Aura-Verlauf ist folgender:

Psychophysische Symptome: Kribbeln im Nervengeflecht des Oberbauchs (dort, wo manchmal die Schmetterlinge fliegen, wenn man verliebt ist), gefolgt von Schweißausbruch und erhöhter Herzschlagfrequenz. Vorangehen können akustische, visuelle und olfaktorische Halluzinationen bzw. "Pseudohalluzinationen".

Mitmenschen: Folgt ein Anfall mit Muskelkrämpfen, so entspricht das Weitere dem "Verlauf 1". Folgt ein Anfall ohne Muskelkrämpfe, d.h. fällt man bloß um, so verwechseln die Mitmenschen (auch ÄrztInnen) den Vorfall im Allgemeinen mit einem Kreislaufproblem, so dass Nervereien begrenzt bleiben. Um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass eine Aura in einen Anfall mündet, können Mitmenschen - wenn möglich - umgehend für eine Reduktion der Sinneseindrücke sorgen: Ruhe, Abdunkelung, den/die BetreffendeN nicht zum Reden veranlassen und möglichst nicht umlagern, einige Minuten warten.

Weitere Möglichkeiten: Manchmal besteht die Möglichkeit, auf Auren mit einem meditativen Zustand zu reagieren, um Anfälle zu verhindern. Dazu trainiert man beispielsweise, sich blitzschnell auf das Wort "Leer" zu konzentrieren. Auch gibt es Berichte, dass EpileptikerInnen Duftstoffe bei sich tragen, die sie im Fall einer Aura einatmen. Die Chancen, Anfälle nach Auren zu verhindern, erhöhen sich, wenn man die Aura möglichst früh wahrnimmt. Dazu kann man üben, Zustandsänderungen zu empfinden, deren Empfindung nicht kultiviert ist - weshalb dieses Verfahren schwer zu beschreiben ist. (Siehe dazu auch Berichte über Hunde, die epileptische Anfälle bei Menschen "wittern".)

Weitere Unterscheidungsformen

- generalisiert (Zuckungen, die den ganzen Körper betreffen) <==> lokalisiert (Zuckungen nur einer Muskelpartie [bei meist erhaltenem Bewußtsein], z.B. Zuckung nur des rechten Armes)

- tonisch (krampfende Muskelkontraktion) <==> klonisch (zuckende Muskelkontraktion)

Eine potenziell lebensbedrohliche Sonderform des epileptischen Anfalls (sowohl beim Grand Mal als auch beim Petit Mal) ist der Status epilepticus.

Ursachen von Epilepsie

Bekannte Ursachen

Nur in etwa 30 bis 50 % aller Fälle lässt sich eine Ursache für Epilepsie finden. Bekannte Ursachen sind vor allem Geburtstraumata, Tumore im Gehirn, Stoffwechselerkrankungen, Schlafentzug, künstlich induzierte Schädigungen von Gehirn und Nerven (z.B. bei schwerem Alkoholismus) und Narben im Gehirn beispielsweise nach Apoplex oder nach Meningitis, Tuberöse Sklerose, selten auch Vererbung (siehe: Erbkrankheit). Ferner kann es z.B. auch nach Masern zu einer Enzephalitis kommen, was ebenfalls die Äthiologie für eine Epilepsie sein kann.

Sehr oft liegt jedoch nur eine "Disposition" vor, was in der Praxis bedeutet, dass sich keine eindeutige Ursache identifizieren lässt.

Computerspiele und Medien

Bildschirme können durch Hell-Dunkel-Wechsel, durch wechselnde Farbkombinationen und durch Muster epileptische Anfälle provozieren.

Hell-Dunkel-Wechsel sind, wenn der Wechsel nur wenige Male pro Sekunde stattfindet, für die meisten Menschen gefahrlos. Die Wechsel wirken anregend und motivieren zum Beispiel Kinder dazu, mit einem Stock an Lattenzäunen entlang zu laufen, oder Jugendliche, in die Disko zu gehen. Durch sehr schnelle Farb- und Hell-Dunkel-Wechsel löste 1997 in Japan die Kindersendung Pocket Monsters bei über 600 Zuschauern ohne epileptische Vorgeschichte, zumeist Kindern, epileptische Reaktionen aus, so dass 200 von ihnen im Krankenhaus übernachten mussten.

Ähnliche Wirkungen sind bei Computerspielen möglich. In vielen Handbüchern zu Computerspielen findet sich daher an prominenter Stelle eine Epilepsiewarnung. Die besondere Reaktionsbereitschaft auf Lichtreize wird Photosensibilität genannt, tritt dadurch ein Anfall auf, handelt es sich um einen Fotogenen Reflexanfall. Menschen, die auch ohne Lichtreizung epileptische Anfälle haben, können je nach Anfallsform gar nicht, nur eingeschränkt oder ohne Probleme Computerspiele spielen. Die Photosensibilität tritt bei diesen Menschen zu über 90% mit idiopathisch-generalisierter Epilepsie auf, selten jedoch bei der fokalen Anfallsform. Die Prävalenz für Photosensibilität wird mit 0,5 bis 8.9% in der nicht-epileptischen Gesamtbevölkerung geschätzt und mit 2 bis 9.9% in der epileptischen Bevölkerung. In der nicht-epileptischen Bevölkerung kommt Photosensibilität besonders häufig während der Pubertät vor und führt selten zu Anfällen, d.h. kann meist nur im EEG nachgewiesen werden. (Alberto Verrotti MD, PhD; Daniela Trotta, MD; Carmela Salladini, MD; Giovanna di Corcia, MD, Photosensitivity and Epilepsy, J Child Neurol. 2005; 19 (8): 571-578)

Röhrenbildschirme wie zum Beispiel herkömmliche Fernsehgeräte und Computer-Monitore mit Kathodenstrahlröhre, evtl. auch Kinos, können unabhängig davon, ob sie ruhige oder schnelle Bilder zeigen, epileptische Anfälle auslösen. Diese Systeme erzeugen durch sehr schnelle Lichtwechsel den Eindruck eines stehenden Bildes. Da sich bei diesen Systemen keine deutlichen Warnungen finden und gewisse Anfallsformen leicht mit vegetativen Störungen oder Kreislaufproblemen verwechselt werden, besteht die Möglichkeit, dass das Problem nicht erkannt wird. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass das Problem auch von Neurologen nicht erkannt wird. In diesem Fall werden vermeidbarerweise Antiepileptika genommen. Technisch ist das Problem häufig durch die Verwendung von Flachbildschirmen oder Bildschirmen mit hohen Bildwiederholfrequenzen lösbar.

Ein größeres Problem im Hinblick auf Photosensibilität stellen jedoch natürliche Phänomene dar, wie z.B. bei tiefer Sonne durch eine Allee fahren.

Behandlung

Epilepsien werden zunächst medikamentös behandelt. Mit der Entwicklung von valproatbasierten Arzneimitteln Anfang der 70er Jahre konnte oft Anfallsfreiheit als Voraussetzung für ein "ganz normales Leben" erreicht werden. Seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts sind neue antiepileptische Medikamente mit geringeren Nebenwirkungen zugelassen und haben die Chance der Anfallsfreiheit noch mehr erhöht. Mit dem Spektrum der heute verfügbaren Medikamente gelingt es in circa zwei Drittel der Fälle, die Anfälle zu kontrollieren. Bei den übrigen Patienten spricht man von einer pharmakoresistenten Epilepsie. Hier gilt als Faustregel: Wenn das erste Medikament nicht zur Anfallsfreiheit geführt hat, beträgt die Chance, dass ein anderes Medikament zur dauerhaften Anfallsfreiheit führt nur circa 10%. Das heisst, durch Veränderungen der Medikation werden bei pharmakoresistenten Epilepsien meist nur Teilerfolge erzielt, zum Beispiel eine reduzierte Anfallsfrequenz oder mildere Anfallsformen. Daher ist es sinnvoll, bei diesen Patienten frühzeitig zu prüfen, ob sie geeignete Kandidaten für einen epilepsiechirurgischen Eingriff sind. Die Epilepsiechirurgie kann mittlerweile - bei pharmakoresistenten fokalen Epilepsien - die Epilepsie "heilen", wenn das epileptogene Areal im Hirn genau identifizert werden kann und operabel ist. Die Chance auf Anfallsfreiheit durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff liegt je nach Befundkonstellation bei 50 - 80 %.

Antiepileptika haben fast immer Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, manchmal Haarausfall, und wirken bis zu einem gewissen Grade sedierend. Die optimale Einstellung durch einen Neurologen ermöglicht es, diese Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen, so dass sie kaum beeinträchtigend sind. Die Nebenwirkungen sind jedoch individuell äußerst verschieden, im ungünstigsten Fall muss die Therapie abgebrochen werden, bzw. die Umstellung auf ein anderes Medikament erfolgen.

Akutbehandlung

Ein akuter epileptischer Anfall kann nötigenfalls medikamentös unterbrochen werden, z.B. durch Gabe von Diazepam (s.u.). In der Regel ist aber kein Eingreifen nötig, und der Anfall endet (maximal) nach wenigen Minuten von selbst. Viele Epileptiker empfinden es sogar als unangenehm und belastend, wenn bei einem "einfachen" Anfall der Rettungsdienst gerufen oder gar eine Klinikeinweisung veranlasst wird. Die nötigen Hilfsmaßnahmen bestehen regelmäßig in der Verhinderung von Verletzungen (Abpolstern, Entfernen von umgebenden Gegenständen, kein Festhalten!).

Grundlegend anders ist beim Status epilepticus zu handeln. Wenn mehrere Anfälle kurz hintereinander erfolgen, sollte dringend ärztliche Hilfe angefordert werden.

Untersuchungsmethoden

  • neurologische Anamnese
  • neurologische Untersuchung
  • Medikamentenspiegel, Blutbild
  • Elektroenzephalographie (EEG), Magnetoenzephalographie (MEG)
  • Prächirurgische Epilepsiediagnostik mit invasivem EEG (zum Beispiel Streifenelektroden, Tiefenelektroden und Videoüberwachung)
  • Computertomografie (CT)
  • Magnetresonanztomografie (MRT bzw. MRI), Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI)
  • Positronen-Emissionstomografie (PET)
  • Flumazenil PET
  • SPECT

Antiepileptika

Bei einem Anfall werden Benzodiazepine mit antikonvulsiven Eigenschaften wie die folgenden verabreicht:
  • Lorazepam (Tavor®)
  • Diazepam (Valium®)
  • Clonazepam (Rivotril®)
  • Midazolam (Dormicum®)
  • Nitrazepam
In der hier aufgeführten Gruppe der Benzodiazepine hat Lorazepam die längste antikonvulsive Wirkung, bei gleichzeitig geringerer sedierender Wirkung als die anderen Substanzen. Es ist daher heute Mittel der ersten Wahl zur Akutbehandlung.

Zur Vorbeugung werden hingegen diese verabreicht:

  • Carbamazepin (Tegretal®, Timonil®, Neurotop® retard)
  • Ethosuximid (Petnidan®, Suxilep®, Suxinutin®)
  • Felbamat (Taloxa®)
  • Gabapentin (Neurontin®)
  • Lamotrigin (Lamictal®, Elmendos®, Bipolam®, Lamapol®)
  • Levetiracetam (Keppra®)
  • Mesuximid (Petinutin®)
  • Oxcarbazepin (Trileptal®, Timox®)
  • Phenobarbital (Lepinal®, Luminal®)
  • Phenytoin (Epanutin®, Phenhydan®, Zentropil®)
  • Pregabalin (Lycra®)
  • Primidon (Liskantin®, Mylepsinum®, Resimatil®)
  • Sultiam (Ospolot®)
  • Tiagabin (Gabitril®)
  • Topiramat (Topamax®)
  • Trimethadion
  • Valproat (Ergenyl®, Orfiril®)
  • Vigabatrin (Sabril®)

siehe auch: Antikonvulsivum

Sonstige Methoden der Epilepsiebehandlung

  • Stereotaktische Ausschaltung von elektrischen Foci
  • Epilepsiechirurgie oder auch operative Eingriffe vor allem bei Temporallappenepilepsie (Schläfenlappenepilepsie) anwendbar.
  • Verhaltenstherapie (mit oder ohne Biofeedback) kann den Betroffenen ermöglichen, auf Vorzeichens eines Anfalls zu reagieren und diesen zu verhindern oder abzumildern
  • Vagus-Stimulation ("Hirnschrittmacher") reizen mit elektrische Stimuli den Vagusnerv, der die Erregung ins Gehirn weiterleitet. Entweder in festen Intervallen oder auf Anforderung bei Anfallsvorgefühl.
  • heutzutage wird versucht die Epilepsie durch eine ganzheitliche Sozialmedizin zu behandeln. Hier wird insbesondere Ausdauersport und eine weniger strenge Behütung des Patienten empfohlen.

Sonstige Aspekte

SUDEP

Als SUDEP (von englisch: sudden unexpected death in epilepsy) wird ein plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie bezeichnet. In einer Studie wurden folgende Risikofaktoren identifiziert:

  • jüngeres Lebensalter
  • symptomatische Epilepsien mit nachweisbarer Gehirnveränderung
  • männliches Geschlecht
  • niedrige Serumkonzentration der eingenommenen Antiepileptika
  • generalisierte tonisch-klonische Anfälle
  • Schlaf

Die Forschung nach Todesursachen von Epilepitkern und die Erfassung ihrer Mortalität ist in Deutschland noch wenig ausgeprägt, weshalb nur wenige Informationen hierzu in der Literatur zu finden sind.

Von den Menschen mit Epilepsie liegt die Sterblichkeitsrate bei 3 von 500 Personen pro Jahr, bei Neubetroffenen bei 15 von 25.000 Personen pro Jahr. Das Risiko für einen SUDEP liegt bei ca. 0,5 von 1.000 bis 1 : 1.000 Personen pro Jahr; liegt eine schwere Epilepsie und/oder eine neurologische Beeinträchtigung vor, sind es sogar 5 zu 1.000 Personen pro Jahr.

In Großbritannien wird die Zahl der an oder in Folge von Epilepsie gestorbenen Menschen mit 1000 pro Jahr angegeben. Es wird geschätzt, dass es sich bei den meisten dieser Todesfälle um SUDEP handelt (Quelle: National Sentinel Clinical Audit of Epilepsy-Related Death 2002 - englisch).

Psychosoziales

Obwohl viele Menschen mit Epilepsie durch medikamentöse Behandlung kaum noch Anfälle haben, können die Beeinträchtigungen groß sein. Es kann sich hierbei um objektiv vorhandene Beeinträchtigungen handeln wie Medikamentennebenwirkungen. Es kommen jedoch psychologische Faktoren hinzu. Einen Grand mal-Anfall in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz gehabt zu haben, ist einfach unangenehm. Epilepsie unterscheidet sich von anderen "Volkskrankheiten" wie Diabetes dadurch, dass ihr ein Stigma anhaftet. Dies kann subjektiv immer noch der Fall sein, wenn auch die Einstellung in der Bevölkerung glücklicherweise sich verbessert hat. Der Informationsstand ist jedoch, bedingt dadurch, dass Epilepsie in den Medien praktisch nicht präsent ist, immer noch unzureichend.

Tatsache ist, dass der Arbeitslosenanteil unter den Menschen mit Epilepsie weit überproportional ist, selbst überproportional unter den Menschen mit Behinderungen allgemein. Dieser hohe Anteil ist nicht allein mit objektiv vorhandenen Leistungsverminderungen zu erklären.

Das Spektrum der Erkrankung ist jedoch sehr groß: es reicht von Formen mit guter Prognose und wenigen Anfällen bis zu Formen mit hoher Anfallsfrequenz und eintretenden Gehirnschädigungen. Auch wenn Menschen mit Epilepsie in etlichen Lebensbereichen auch heute noch auf Schwierigkeiten stoßen, führen sie meist ein relativ normales Leben.

Geschichte

Da das Erscheinungsbild bei epileptischen Anfällen spektakulär sein kann, sind Epilepsiekranke im Lauf der Geschichte sowohl positiv wie negativ stigmatisiert worden. So galten Epilepsiekranke in manchen antiken Kulturen als Heilige, da ihnen der (scheinbare) Übergang in Trancezustände so leicht fiel. Bereits im Reich der alten ägyptischen Antike und zur Zeit des babylonischen Königs Hammurabi war die Epilepsie bekannt und gefürchtet. Altägyptische Hieroglyphen für das Wort Anfallsleiden sind "Wasser", "gefalteter Stoff", "zwei Schilfblätter" und "Brotlaib", umrahmt von der "Kobraschlange" am Anfang, die "Ausspruch einer Gottheit" bedeutet, und dem "schlangenden Mann" am Ende, der "Feind, Tod" darstellt. Bei den alten Griechen galt die Epilepsie als "heilige Krankheit", als "Besessensein von der göttlichen Macht" - der Epilepsiebegriff stammt von dem griechischen Wort "epilambanein" ab, das "packen, jemanden heftig ergreifen" bedeutet. Rund vierhundert Jahre vor Christus schrieb jedoch der griechische Arzt Hippokrates (ca. 460 - 375 v. Chr), dass das Gehirn verantwortlich für die "Heilige Krankheit" sei.

Im Mittelalter wurde ein Anfall allerdings häufig als "Angriff von oben", als göttliche Strafe oder "dämonische Besessenheit" interpretiert und konnte für den Betroffenen gefährliche Konsequenzen haben, wie beispielsweise einen Exorzismus. Im 17. und 18. Jahrhundert erhielt die Epilepsie allmählich wieder ihren Stellenwert in der Reihe der übrigen Krankheiten, doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang es wissenschaftlich zu beweisen, dass die Epilepsie einen natürlichen Ursprung hat.

In der Zeit des Nationalsozialismus galten Epilepsiekranke wie viele andere "Behinderte" als "unwertes Leben". Im Alten Rom mussten angehende Soldaten bei ihrer Musterung durch ein rotierendes Wagenrad in eine Lichtquelle (zum Beispiel die Sonne) schauen. Erlitten sie einen Anfall, wurden sie ausgemustert.

Dennoch gab es über alle Zeiten berühmte Epileptiker, wie beispielsweise Alexander den Großen, Julius Cäsar, Napoleon, Dostojewski, Agatha Christie, Molière, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Vincent van Gogh, Georg Friedrich Händel, Paganini und einigen Philosophen. Mit Pius IX. (1792 - 1878) gelangte ein Epileptiker sogar auf den Papststuhl, obwohl Personen mit einer Epilepsie lange Zeit als Besessene verfolgt wurden. Die Epilepsie ist so alt, wie die Menschheit und gehört zu den häufigsten chronischen Krankheiten überhaupt.

Recht

Hat ein Mensch öfters epileptische Anfälle und kann auch durch Behandlung nicht über mindestens ein Jahr anfallsfrei bleiben, dann darf er kein Auto fahren oder eine Tätigkeit verrichten, die ihn selbst oder andere gefährdet. Epilepsiekranke haben daher auch größerer Probleme mit der Berufswahl und sollten neben einem Spezialisten für Neurologie auch manchmal einen Facharzt für Arbeitsmedizin konsultieren. Betroffene einer Epilepsie haben in Deutschland je nach Schwere der Erkrankung die Möglichkeit, auf Antrag einen Schwerbehindertenausweis zur Gewährung steuerlicher und beruflicher Nachteilsausgleiche zu erhalten. Viele Berufsunfähigkeitsversicherungen und auch Unfallversicherungen verweigern die Aufnahme von Epilepsieerkrankten, wenn diese nicht mindestens zwei Jahre anfallsfrei sind.

Sprachliches

Epileptiker

Die Bezeichnung "Epileptiker" ist bei Betroffenen häufig nicht sehr beliebt - es wird eher von z.B. "Menschen mit Epilepsie" gesprochen (siehe auch political correctness). Epilepsie ist nach wie vor ein Stigma; wenn man eine Epilepsie hat, ist man aber eben nicht nur "seine Epilepsie", sondern weiter auch alles andere.

Eine andere Möglichkeit, mit der Bezeichnung "Epileptiker" umzugehen, ist ihr offensiver Gebrauch - wie es zum Beispiel mit der Bezeichnung Queer geschah. Manchmal ist es kaum möglich, "alles andere" auch zu sein, sondern eher ist es erforderlich, das Andere als Epileptiker bzw. Epileptikerin zu sein. Denn ein Leben mit Epilepsie - und nicht gegen sie - kann durch die Zumutung des Verzichts auf normalerweise selbstverständliche Sicherheiten tief greifende Veränderungen der Weltsicht und der Psyche mit sich bringen und einen Einfluss auf die persönliche Identität haben.

An Epilepsie erkranken, Epilepsiekranke

Eine Bezeichnung von Epilepsiekranken als "krank" liegt nahe, weil die meisten Betroffenen mit (einer) Epilepsie/n aus medizinischer Sicht dauerhaft den Status von Patienten inne haben.

Andererseits wirft die Bezeichnung verschiedene Fragen auf:

  • Wenn schon die Epilepsie die Bezeichnung "krank" für einen Menschen rechtfertigt: Welches Wort sollte dann jemand, der oder die gerade einen Anfall hinter sich hat, verwenden, um sein oder ihr Befinden zu bezeichnen?
  • Kann ein Mensch ein Leben lang "krank" sein? Wie sinnvoll wäre ein lebenslängliches Selbstgefühl als "krank"?
  • Wie nennt man ein epileptisches Kind mit Masern? Krankes krankes Kind?

Unter Epilepsie leiden

Das Wort "Leiden" genießt im Zusammenhang mit chronischen "Krankheiten" nicht nur bezüglich der Epilepsie eine weite Verbreitung. Einige Menschen behaupten, es sei möglich, Schmerzen zu haben, ohne unter ihnen zu leiden; es sei auch möglich, traurig zu sein, ohne unter der Traurigkeit zu leiden; so ist es auch möglich, ein Leben lang Epilepsie zu haben, ohne unter ihr zu leiden.

Dennoch ist die Epilepsie auch bei weitgehender Anfallsfreiheit immer präsent: man steigt nicht so ohne weiteres auf eine Leiter, man läuft nicht noch schnell bei Rot über die Straße, wenn schon ein Auto naht.

Wortschöpfungen

In englischsprachigen Epilepsie-Foren im Internet wird manchmal der Ausdruck verwendet: "I had an E". In deutschsprachigen Foren findet eher "meine Epi" Verwendung. Der schon alte, selbstironische Spruch "epileppy aber happy" ist dabei nicht ganz in Vergessenheit geraten.

Die Austauschmöglichkeiten von Epilepsiekranken im Internet können dazu beitragen, dass sich nach und nach Begriffe entwickeln, mit denen sich epileptische Befindlichkeiten genauer beschreiben lassen als bisher. Begriffsentwicklungen erfordern eine Vergesellschaftung der Erfahrungen, die Epilepsiekranke bisher nicht herstellen konnten.

Siehe auch

  • Postparoxysmaler Dämmerzustand
  • West-Syndrom (BNS-Epilepsie)
  • Lennox-Gastaut-Syndrom
  • Ohtahara-Syndrom

Literatur

  • Krämer, Günther: Epilepsie von A-Z - Medizinische Fachwörter verstehen (2004)
  • Krämer, Günter: Diagnose Epilepsie - Kurz und bündig. Wie Sie die Krankheit verstehen, die besten Therapien für sich nutzen, Ihren Alltag optimal gestalten (2003)
  • Altrup u.a.: Epilepsie - Informationen in Texten und Bildern für Betroffene, Angehörige und Interessierte (2000)
  • Puckhaber, Haiko: Epilepsie im Kindesalter - Eine interdisziplinäre Aufgabe (2000)
  • Schneble, Hansjörg: Epilepsie bei Kindern: Wie ihre Familie damit leben lernt, was Epilepsie ist, wie der Arzt untersucht und behandelt (1999)
  • Krämer, Günter: Epilepsie - Antworten auf die häufigsten Fragen (1998)
  • Volkers, Helmut: Anfälle im Kindesalter - Schwerpunkt gutartige Epilepsien. Antworten auf Elternfragen (1998)

Kinder- und Jugendbücher zum Thema Epilepsie

  • Appleton, Richard & Krämer, Günter: Epilepsie-Wörterbuch für Kinder
  • Dingenotto, Beate: Was Du schon immer wissen wolltest über Dein Gehirn, Deine Anfälle und das Krankenhaus.
  • Fährmann, Willi: Jakob und seine Freunde (ab 9 Jahre)
  • Heinen, Gerd: Bei Tim wird alles anders. (ab 5 Jahre)
  • Howard, Ellen: Edith allein.
  • Schröder, Silke & Elisabeth Reuter: Carla. Eine Geschichte über Epilepsie (ab 4 Jahre)
  • Habermann-Horstmeier, Lotte: Karin und Max. Geschichten von einem Jungen und seiner geistig behinderten, epilepsiekranken Schwester.
  • Schnebele, H.: Das Eigentor oder die Geschichte vom Peter Guck-in-die Luft (ab 12 Jahre)
  • Brandes, S.: Kein bisschen cool (ab 12 Jahre)

Geschichte

  • Owsei Temkin: The Falling Sickness: A History of Epilepsy from the Greeks to the Beginning of Modern Neurology. 1945; 2nd ed. revised, 1971

Weblinks


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Siehe Diskussion: "Inzwischen gibt es ein neues System zum Klassifizieren von epileptischen Anfällen."