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Erbkrankheiten

Unter dem Oberbegriff Erbkrankheit werden allgemein solche Erkrankungen und Besonderheiten zusammengefasst, die durch untypisch veränderte Erbanlagen ausgelöst werden oder zu bestimmen Erkrankungsdispositionen führen.

Im engeren Sinne zählt man jedoch nur jene Erkrankungen und Besonderheiten zu den Erbkrankheiten, die durch von Anfang an untypisch veränderte Gene ausgelöst und durch Vererbung von den Vorfahren auf ihre Nachkommen übertragen werden.

Syndrome wie Formen von Trisomie, bei denen sich nicht die übliche Zahl von 46 Chromosomen im menschlichen Genom findet, können somit genau genommen nicht als Erbkrankheit gezählt werden, da sie zumeist spontan auftreten und auch nur selten vererbt werden.

Verschiedene Formen

Erbkrankheiten folgen verschiedenen Erbgängen und sind mit unterschiedlichen Vererbungs-, Wiederholungs- und Erkrankungswahrscheinlichkeiten verbunden. Man unterscheidet:

  • Autosomal-rezessive Erbgänge: Die Besonderheit tritt nur dann in Erscheinung, wenn sich auf jeweils beiden Chromosomen (1 bis 22, also nicht die Geschlechtschromosomen X und Y) die gleiche Veränderung (Mutation) in einem bestimmten Gen findet, d.h. wenn der betreffende Mensch jeweils eine Veränderung von seinem biologischen Vater und eine von seiner biologischen Mutter geerbt hat. Die Eltern müssen dabei nicht betroffen sein.
  • Autosomal-dominante Erbgänge: Hier führt bereits ein verändertes Allel (Allele sind die einander jeweils entsprechenden Gene eines diploiden Chromosomenesatzes) auf einem der beiden homologen Chromosomen zur Merkmalssausprägung. Die genetische Information liegt auf einem der 44 Chromosomen (Geschlechtschromosomen X und Y ausgenommen) vor und wird unabhängig vom Geschlecht vererbt.
  • Gonosomale Erbgänge: Gonosomale Erbkrankheiten, also solche, bei denen die Veränderung die Geschlechtschromosomen X bzw. Y betrifft, liegen in den meisten Fällen auf dem X-Chromosom, da das Y-Chromosom nur sehr wenige Gene enthält. Daher ist die Auswirkung der Besonderheit unterschiedlich:
    Jungen/Männer sind immer betroffen, wenn sie ein verändertes X-Chromosom vererbt bekommen, da sie nur dieses eine X-Chromosom haben.
    Mädchen/Frauen können vielfach die Veränderung auf einem X-Chromosom durch ihr zweites X-Chromosom ausgleichen, wenn es nicht verändert ist.
Innerhalb dieser Kategorie nimmt man eine Unterscheidung in X-chromosomal-dominante Krankheiten und Besonderheiten (dabei sind Mädchen/Frauen phänotypisch betroffen, wenn sie ein geschädigtes X-Chromosom erben) und X-chromosomal-rezessive Krankheiten und Besonderheiten (dabei sind Mädchen/Frauen nur betroffen, wenn beide X-Chromosomen geschädigt sind, ansonsten sind sie nur "Überträgerinnen", d.h. sie können das veränderte X-Chromosom an ihre Kinder weitervererben, bilden selbst aber keinen entsprechenden Phänotyp aus) vor.
  • Mitochondriale Erbgänge: Circa 0,1 Prozent der DNA einer menschlichen Zelle befinden sich nicht im Zellkern, sondern in den Mitochondrien. Da Eizellen im Gegensatz zu Spermien mehrere hundertausend Mitochondrien besitzen, werden Mutationen in der Mitochondrien-DNA nur mütterlicherseits vererbt. Gleiches gilt für die Chloroplasten photosynthetisch aktiver Organismen.

Diagnose und Behandlung

Bei Verdacht auf eine Erbkrankheit kann eine humangenetische Untersuchung Klarheit verschaffen. Dabei werden die Chromosomen auf zahlenmäßige und strukturelle Veränderungen überprüft. Besteht dringender Verdacht auf einen bestimmten genetischen Defekt ist auch eine weitergehende, aufwändige Untersuchung einzelner Genkonstellationen möglich. Die Ergebnisse kann dann bei der Risikoabschätzung bzgl. einer Vererbung hilfreich sein.

Therapeutisch kann bei einer vorliegenden Besonderheit des Erbguts natürlich nicht auf die Ursachen eingewirkt, sondern nur symptomatische Maßnahmen getroffen werden.

Geschichte

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff der Erbkrankheit inflationär und oft grob falsch verwendet, unter anderem für angebliche "Krankheiten" wie "kriminelle Neigung" oder "Asozialität". Dieses Denken beeinflusste Sterilisations-Programme und den Euthanasie-Gedanken und fand seine extremste Ausprägung im deutschen Nationalsozialismus, war aber zum damaligen Zeitpunkt auch in vielen anderen Ländern wie den USA, England und Frankreich vorhanden. Heute werden nur noch solche Krankheiten als Erbkrankheiten bezeichnet, die möglichst klar abgrenzbar sind und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Gendefekte zurückgehen.

Einige autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten und Besonderheiten

  • Adreno-genitales Syndrom (AGS)
  • Albinismus
  • Galaktosämie
  • Hutchinson-Gilford-Syndrom (Progerie, autosomal-rezessiver Erbang vermutet)
  • Joubert-Syndrom
  • Kretinismus
  • Kurzripp-Polydaktylie-Syndrom (Typ I, II, III, IV)
  • Laurence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom (LMBB-Syndrom)
  • Lippenspalte
  • Mukopolysaccharidosen (MPS)
  • Phenylketonurie (PKU)
  • Sichelzellanämie
  • Xeroderma pigmentosum
  • Zystische Fibrose (Mukoviszidose, CF)

Einige autosomal-dominant vererbte Krankheiten und Besonderheiten

  • Achondroplasie
  • Apert-Syndrom
  • Brachydaktylie (Kurzfingrigkeit)
  • Chorea Huntington ("Veitstanz")
  • Ehlers-Danlos-Syndrom (Typen I?IV, VII A/B, VIII)
  • Habsburger Unterlippe
  • Holt-Oram-Syndrom
  • Hypercholisterinämie
  • Ichthyosis vulgaris
  • Marfan-Syndrom
  • Morbus von Gierke
  • Myotone Dystrophie
  • Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen)
  • Osteogenesis imperfecta (Typ I)
  • Polydaktylie (Vielfingrigkeit)
  • Spalthand, Spaltfuß

Einige gonosomal vererbte Erbkrankheiten und Besonderheiten

X-chromosomal rezessiver Erbgang

  • Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G-6-PD-Mangel)
  • Hämophilie A und B (Bluterkrankheit, tritt nur bei Jungen/Männern auf)
  • Morbus Fabry
  • Mukopolysaccharidose Typ II
  • Muskeldystrophie (Typ Duchenne, Typ Becker-Kiener)
  • Norrie-Syndrom
  • Retinits_pigmentosa
  • Rot-Grün-Blindheit
  • X-SCID (severe combined immune deficiency)

X-chromosomal dominanter Erbgang

  • Familiäre phosphatämische Rachitis (auch idiopathisches Debré-de-Toni-Fanconi-Syndrom oder Vitamin-D-resistente Rachitis genannt)

Sonstige Erbkrankheiten und Besonderheiten

Genetisch bedingte Disposition

Diverse Erkrankungen, Behinderungen und Besonderheiten sind nicht im Sinne einer klassischen Erbkrankheit erblich, sondern ihr Auftreten kann durch eine (mitunter familiäre) genetische Erkrankungsdisposition (Veranlagung, Anfälligkeit) bedingt sein. Hierzu zählen z.B.:

Weblinks

Siehe auch

  • Genetik
  • Pränataldiagnostik
  • Präimplantationsdiagnostik
  • Liste der Syndrome


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